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Donnerstag, 31 August 2023 17:53

Sommerloch 2023 und das Prinzip Hoffnung

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Es war in diesem Jahr ein irrer Sommer – bis jetzt: Das mediale Loch wurde vollgestopft mit Meldungen über Krieg in Osteuropa, Umstürze in Afrika und verbrennende Wälder in Europa und Amerika. Erschreckend eigentlich, was sich die Menschen dieses Planeten nach einer gerade zu Ende gehenden Pandemie alles „leisten“!

Und dann gibt es in diesem kleinen Biotop Deutschland noch den zusätzlichen „Luxus“: den permanenten Streit innerhalb der regierenden (!) Ampel-Koalition, obwohl doch „alle Welt“ in Deutschland klagt, dass man den Rechten, also der AfD, endlich etwas Substantielles entgegensetzen sollte. Zum Beispiel bei der Bewältigung der Folgen des Klimawandels (nach verpatzter Heizungsdebatte), auch durch  die Modernisierung der öffentlichen Verwaltungen (nach jahrzehntelanger Verschleppung der Digitalisierung) und durch die Beseitigung von Ungleichheiten in Gesellschaft (mit Kinderarmut und Bildungsrückständen) und Wirtschaft (mit auch steuerlichen Standortnachteilen). Schließlich gilt es, die Wirtschaft als Wohlstandsmotor für Deutschland und Europa fit zu machen und die Menschen dafür zu motivieren.  

Die Weltlage für die nächsten Jahre und Jahrzehnte sieht ernst, aber nicht hoffnungslos aus. Das ist – nach gründlichen Analysen und Handlungsansätzen im Interesse der kommenden Generationen -  die Botschaft des schottischen Wirtschaftspublizisten Hamish McRae in The WORLD IN 2050. HOW TO THINK ABOUT THE FUTURE (London u.a. 2023), die verhalten optimistisch endet.

Da möchte man doch den Politikern mit Karl Valentin warnend zurufen: "Mögen hätt ich schon wollen, aber dürfen hab ich mich nicht getraut." Wirklich nicht?

"Da kommen die Hennigsdorfer!" Ab 6 Uhr morgens marschierten am 17. Juni 1953 15.000 Hennigsdorfer Stahlarbeiter durch Wedding nach Ostberlin (Artikel im TAGESSPIEGEL  vom 16.06.2003). Rechts im Bild West-Berliner Polizei.

Acht Jahre nach Kriegsende erhoben sich streikende Arbeiter in der DDR gegen die sozialistische Obrigkeit und forderten die Rücknahme der Erhöhung der Arbeitsnormen. Diese und weitergehende politische Forderungen, darunter jene nach freien Wahlen, wie sie am 17. Juni 1953 in zahlreichen ostdeutschen Orten vorgetragen wurden, erschütterten das Regime. Der Westberliner Radiosender RIAS (Radio im amerikanischen Sektor) strahlte diese überregional aus, was wiederum als Provokation gewertet wurde. Nur durch die sowjetischen Truppen mit ihren Panzern und durch die kasernierte Volkspolizei konnte der Volksaufstand schnell unterdrückt werden; vgl. Wikipedia mit weiteren Angaben und Fotos (https://de.wikipedia.org/wiki/Aufstand_vom_17._Juni_1953).

Im Alter von 13 Jahren wurde ich in dem alten Arbeiterbezirk Wedding teilweise Augenzeuge der Ereignisse im geteilten Berlin: Am Vormittag rief mein Stiefvater [Dr. med. Adalbert Schwede, der nahe der Sektorengrenze im französischen Sektor seine Praxis hatte] von der Praxis aus in der Wohnung an und berichtete von Arbeiter-Demonstrationen im Ostsektor. Ich machte mich sofort zu Fuß auf den Weg und erlebte als erstes den langen Marsch der Hennigsdorfer Stahlarbeiter [nördlich von Berlin] durch die Müllerstraße, wo sie auf der Höhe der Müller-Halle von Bäckern und Fleischern mit Brötchen und Wurst versorgt wurden. Ein starkes Zeichen der Solidarität. Der Kampf um die Zurücknahme der Arbeitsnormen, die die Regierung der DDR beschlossen hatte, breitete sich als Aufstand im ganzen Land aus und konnte nur mit Hilfe der sowjetischen „Freunde“ unterdrückt werden.- Ich erlebte an der Sektorengrenze in der Chausseestraße die Motorradfahrer, die in ihren Beiwagen Verletzte vom Brennpunkt Potsdamer Platz in den Westsektor brachten. Und schließlich brummten die ersten sowjetischen Panzer heran und blieben auf der Grenzlinie stehen. Alle hielten den Atem an: Würde ein neuer Krieg ausbrechen?  Glücklicherweise passierte dies nicht. Aber Tage später wurden einige der Opfer des Arbeiteraufstandes in Berlin in einem Staatsbegräbnis auf dem Weddinger Friedhof beigesetzt.

Als der Kalte Krieg und die „Freundschaft“ der Sowjetunion zu Ende gingen, konnte sich das Volk der DDR 1989 schließlich durchsetzen. Die Hennigsdorfer und viele andere im wiedervereinigten Deutschland werden sich am 17. Juni 2023 daran erinnern: https://landesregierung-brandenburg.de/gedenken-17-juni-1953/

In English:

Eight years after World War II had ended, the workers of the German Democratic Republic called a strike and stood up against their socialist government. On 17 June 1953 many East German citizens demanded the cancellation of increased work norms and even free elections, demands which horrified the regime. The West Berlin radio station RIAS (Radio im amerikanischen Sektor) broadcast their demands very widely, which the East German authorities characterised as “provocation”. Soviet troops with tanks and the East German riot police quickly subdued the riots.

At the age of 13 I was able to observe what was going on in Wedding, the workers’ district in West Berlin: In the morning of 17. June my stepfather Dr Adalbert Schwede phoned from his surgery in the French sector on the border with Soviet-controlled East Berlin and informed us about the workers’ demonstrations in the Eastern parts of Berlin. I set off at once and watched the long march of the Hennigsdorf steel workers, coming from the north of Berlin, down through the big wide Müllerstrasse. They passed a covered market, where the bakers and butchers provided them with rolls and sausages. A great sign of solidarity. The steel workers’ uprising, demanding that the government stop raising the work norms, spread all over the country. It was finally suppressed by the so-called Soviet “friends”.- Standing next to the border on Chausseestrasse I saw the motor cyclists who had arrived from the centre of East Berlin, where Potsdamer Platz was on fire, carrying wounded people to West Berlin in their sidecars. In the end Soviet tanks appeared and stopped at the border of the Soviet sector. Everybody was frightened: Would there be another war? Fortunately, this did not happen. However, a couple of days later I attended the funeral of some victims of the workers’ riots in Berlin Wedding.   

When the cold war and the socalled "friendship" with the Soviet Union ended  the people of the GDR finally succeeded in 1989. The people of Hennigsdorf and many other oplaces of reunitede Germany will remember on 17 June 2023.

Beim Frühstück am Sonntagmorgen fiel mir das Etikett eines Honigglases auf: „Duchy Organic. Pure Honey. … Produce of Romania. Packed in the UK Waitrose Limited. … THE PRINCE OF WALES’S CHARITABLE FUND”. Die Recherche im Internet ergab Näheres über die Aktivitäten des britischen Königs Charles III, bis vor kurzem noch Prince of Wales, für ökologische Landwirtschaft. Darunter zählt aber auch sein Engagement für ein kleines rumänisches Dorf mit einer großen, aber auch sehr bewegten Vergangenheit: Deutsch-Weißkirch in Transsylvanien in den Karpaten: https://de.wikipedia.org/wiki/Viscri; https://de.wikipedia.org/wiki/Viscri#/media/Datei:Biserica_evanghelic%C4%83_fortificat%C4%83_Viscri.jpg

Seit dem Ende des 12. Jahrhunderts ist dieses Dorf eine Siedlung der Siebenbürger-Sachsen Heute leben darin rund 450 Einwohner, hauptsächlich Rumänen, Roma und Ungarn. Die einst deutschen Siedler wurden im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg teils umgesiedelt (nach Sibirien) oder vertrieben. Oder sie verließen zuletzt ihre Heimat mehr oder weniger freiwillig in der Zeit des kommunistischen Diktators Nicolae Ceaucescu (1918-1989) in Richtung Bundesrepublik Deutschland. Mit dessen Sturz endete ein großes Dorfvernichtungsprogramm, so dass auch die alten Bauernhäuser und die Wehrkirche in Viscri, die rumänische Bezeichnung von Deutsch-Weißkirch, erhalten blieb. Der damalige englische Kronprinz Charles begann, sich nach seinem ersten Besuch in Rumänien 1993 für das romantische Dorf bei einem Besuch zu begeistern. Er kaufte zwei Anwesen am Rande der Karpaten, darunter Viscri mit einem Bauernhaus aus dem 18. Jahrhundert. Dort betreibt er bis heute erfolgreich biologisch-organische Landwirtschaft – und eben auch die Honig-Herstellung. Viscri erhielt inzwischen den Status eines UNESCO-Welterbes und entwickelte sich zu einem Tourismus-Magneten: https://www.rferl.org/a/romania-king-charles-village-viscri/32042596.html

Was weniger bekannt ist: Mit Klaus Johannis stellt ein Nachkomme der einstigen Siebenbürgen-Sachsen gegenwärtig den rumänischen Staatspräsidenten. Ob er bei den Krönungsfeierlichkeiten am morgigen 06. Mai zu sehen sein wird, ist nicht bekannt. Wohl aber sind die Beweggründe des britischen Königs Charles III. bekannt, sich in und für Viscri in konservativem Sinne zu engagieren. Will Lloyd hat im aktuellen, linksliberalen NEW STATESMAN (05.-11. Mai 2023) ausführlich geschildert, wie sich Charles schon früh den modernistischen Strömungen in der Städteplanung sowie in der industriell betriebenen Landwirtschaft in seinem eigenen Land widersetzte. Bereits früh hatten die Gedanken insbesondere der esoterisch-antimodernistisch orientierten Schriftsteller Laurens van der Post (1906-1996) und Kathleen Raine (1908-2003) Einfluss auf den britischen Thronfolger gewonnen. Kann Charles als König eines demokratischen Landes mit seinen Vorstellungen und Erfolgen, die er auf dem Gebiet einer nachhaltigen ökologischen Landwirtschaft hier und in Rumänien erzielte, Einfluss nehmen?

 

Montag, 17 April 2023 18:09

Vom Westen reisen in Richtung Osten

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Großbritannien bleibt europäisch – was sonst!? Daran kann auch der Brexit letztlich nichts ändern. So denke nicht nur ich im „Land der Demokratie“, in dem ich mich eines „Settled Status“ als EU-Bürger erfreue. Als bewusste Europäer betrachten sich auch viele Briten, die als mediales Sprachrohr - außer dem „Guardian“ - seit einiger Zeit auch den wöchentlich erscheinenden „THE NEW EUROPEAN. Think without borders“ lesen können. In der aktuellen 336. Ausgabe des liberalen Blatts finden u.a. sich kritische Artikel zur britischen Regierungspolitik, aber auch zu den Unruhen in Frankreich und den Entwicklungen in Italien, Spanien, Deutschland und Österreich. Dazu gehören auch Betrachtungen über die Arbeiten des Fotografen Colin Jones, des polnischen Filmregisseurs Krzysztof Kieslowski (THE THREE COLOURS TRILOGY: Red, White and Blue) und die gegenwärtig laufende Kunstausstellung in Amsterdam zum Werk von Johannes Vermeer.  Auf der dazugehörenden Webseite findet sich ein weit nach Osten reichender Aufsatz von Isabel Hilton vom 16.04.2023 über die aktuelle chinesische Politik, die die westlichen Länder herausfordert: https://www.theneweuropean.co.uk/xi-jinpings-alternative-world-vision/

Wer als Deutscher von Oxford aus nur etwas in Richtung Osten reist, wird schnell nicht nur auf die geopolitische Lage sondern auch auf die Gefühlslagen der Bundesdeutschen stoßen. In Berlin erlebte ich wieder einmal, dass und wie stark Deutschland zu einem Einwanderungsland für Menschen aus dem Süden (Afrika) und aus dem Osten (Osteuropa) geworden ist. In Dresden, der Stadt, die noch im Februar 1945 sehr stark zerstört wurde, erinnerte ein Graffito daran, dass gegenwärtig der Krieg in der Ukraine ganze 753 km entfernt tobt. In Stettin/Szczecin, der Ostsee-Hafenstadt, die 1945 einen vollständigen Bevölkerungsaustausch (von Russen vertriebene Polen vertrieben Deutsche) erleben musste, bewunderte ich – wie in Dresden – die sichtbare Heilung der Wunden des letzten Weltkrieges. Die langfristigen, aber unsichtbaren mentalen Langzeitfolgen des letzten Krieges konnte ich in Leipzig ausmachen: Dort, in der Stadt der friedlichen Revolution von 1989, stießen meine Frau und ich zufällig auf den Germanisten Dirk Oschmann („Der Osten: eine westdeutsche Erfindung“, 5. Auflage 2023). Im verständlichen Zorn hat er darin allen Deutschen einen Spiegel vorgehalten, der zeigt, wie nach mehr als einer Generation noch immer die im östlichen Teil Geborenen benachteiligt sind.

 

Donnerstag, 09 Februar 2023 19:31

Nachrichten von Dodo und Manny aus Oxford

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Im tierischen Ernst: Von beiden Tieren gibt es sagenhafte Berichte. Vom ersteren war schon die Rede. Es gilt als ausgestorben, lebt aber in der Literatur und – ausgestopft – im Naturgeschichtlichen Museum in Oxford weiter. Nun hat kürzlich der wohlinformierte GUARDIAN berichtet, dass die amerikanische Firma Colossal Biosciences den Dodo in ihren gentechnischen Labors nachzüchten will:

https://www.theguardian.com/science/2023/jan/31/gene-editing-company-hopes-to-bring-dodo-back-to-life

https://colossal.com/scientists-are-trying-to-resurrect-the-dodo-centuries-after-the-bird-famously-went-extinct/

Die Firma ist wissenschaftlich in den USA gut vernetzt und hat sich vorgenommen, dem allgemein beklagten Artensterben aktiv zu begegnen. Dazu gehört als erstes sichtbares Ziel, bis zum Jahre 2027 ein behaartes Mammut zu reproduzieren. Auch in Oxford wartet man darauf. Denn ein lebendes Fossil ist vor wenigen Monaten im zarten Alter von (angeblich) 119 Jahren gestorben: Emmanuelle, liebevoll Manny genannt, war der Star von Regent’s Park College und hatte viele Jahre an dem traditionellen Schildkröten-Rennen der Oxforder Colleges teilgenommen. Die OXFORD TIMES berichtete ausführlich am 13.10.2022 von Mannys letztem Geburtstag, an dem sie einen gepflegten Löwenzahl- und Gurken-Kuchen verspeisen durfte.    

Dienstag, 20 Dezember 2022 16:47

Dodo in Oxford's Osney Island

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Das Foto habe ich von einem großen Poster am Eingang der Insel Osney gemacht, die zwischen der Themse und einem Nebenfluss in Oxford liegt. Natürlich hat es den Dodo nie in Oxford gegeben, denn dieses (in der Evolution) flugunfähig gewordene Tier aus Mauritius (im Indischen Ozean) ist schon seit Jahrhunderten ausgestorben. Leider auch mit menschlicher „Hilfe“. Es war ein Meter groß und wog zwischen 10,6 und 17,5 kg. Das erhaltene Skelett, das im Naturkundemuseum der Universität Oxford liegt, hat als Vorlage für eine Nachbildung – und für die Traum-Geschichte von Lewis Carrolls „Alice im Wunderland“ gedient, die jedes englische Kind kennt.- Osney hat neben alten gemütlichen Häusern ein hochmodernes kleines Turbinen-Elektrizitätswerk aufzuweisen, das von den dortigen Einwohnern als Genossenschaft organisiert und finanziert wurde und diesen nun seit einigen Jahren den Strom liefert (durchschnittlich 188 Mega-Watt-Stunden im Jahr). Das mittelalterliche Gegenstück ist die nahegelegene Abteikirche vom Ende des 12. Jahrhunderts.

Oxford, eine Stadt mit Tradition und Zukunftsvisionen. Von dort sende ich viele gute Wünsche für ein traumhaftes Weihnachten und eine bessere Wirklichkeit im neuen Jahr 2023!  

Ebenso wie Berlin nicht nur an der Spree, sondern auch an der Havel und an der Panke liegt, so hat die Stadt Oxford ihre Ufer an der Themse und an denen des Flusses Cherwell. Das Foto zeigt die herbstliche Stimmung am Cherwell, auf dem im Sommer die flachen Punting-Boote der Studenten und Touristen gestakt werden. Dabei geht es an mehreren College-Gebäuden vorbei. Darunter ist das junge Wolfson-College.  Der aus Riga stammende russisch-britische Philosoph Isaiah Berlin (1909-1997) war 1966 dessen Gründungspräsident. Er hatte in St. Petersburg die Februar- und dann die Oktober-Revolution erlebt. Seine jüdische Familie war dann aber 1921 nach England gezogen. Im November 1945, trafen sich die unter Stalin unterdrückte Dichterin Anna Achmatowa (1889-1966) und der junge britische Diplomat Isaiah Berlin im vom Krieg gezeichneten Leningrad, früher St. Petersburg, dem sie einige Gedichte widmete. Der ungarische Schriftsteller György Dalos schrieb darüber den Roman „Der Gast aus der Zukunft“ (1996/2002). Zwanzig Jahre später kam Achmatowa nach Oxford, wo sie auf Veranlassung von Berlin die Ehrendoktorwürde erhielt. Dort sprach sie in russischer Sprache dieses Gedicht: 

https://podcasts.ox.ac.uk/anna-akhmatova-reading-her-poems-about-isaiah-berlin-oxford-1965

Zu Ehren des politischen Philosophen und Vertreters einer offenen Gesellschaft Isaiah Berlin werden jährlich Vorträge in Riga veranstaltet: https://isaiah-berlin.wolfson.ox.ac.uk/Riga . Berlin mahnt damals wie heute: „Let me reiterate: liberty in on sense is basic, the one value which is presupposed by all others in human life – without that no choice, no action, subject or object of moral thought; in my sense, no humanity” (an den amerikanischen Philosophen Henry S. Richardson, 20.04.1988).

 

 

Montag, 19 September 2022 16:47

Das zweite Elisabethanische Zeitalter ging zu Ende

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Selten erlebt man historische Persönlichkeiten und Momente so direkt wie in diesen Tagen der Trauer um Königin Elisabeth II.. In London waren in Trauer vereint Alt und Jung, und zu der Trauerfeier am 19. September 2022 kamen Repräsentanten aus aller Welt. Es gibt einen neuen König, Charles III., aber die Probleme, insbesondere der Krieg in der Ukraine, die globale Wirtschaftskrise und der Klimawandel bleiben. Ein Blick in die Geschichte, hier Großbritanniens, erscheint dennoch sinnvoll.

In der Zeit der englischen Königin Elisabeths I., 1533 geboren, Herrscherin 1559-1603, einer gebildeten und energischen Herrscherin, erlangte England globale Bedeutung. Die Schiffe der Königin, darunter die des Seefahrers Walter Raleigh, erkundeten neue Länder und errangen militärische Stärke auf den Weltmeeren. 1588 wurde die spanische Armada geschlagen und erlitt an der Küste Irlands Schiffbruch. Wie in der Gegenwart war die politische Elite in jener Zeit zerrissen und voller Intrigen. Andererseits ging es wirtschaftlich bergauf, und mit William Shakespeare und anderen Zeitgenossen erwarben sich die englische Literatur und das Theater dauerhafte Weltgeltung. Das goldene Elisabethanische Zeitalter dauerte immerhin 44 Jahre.

Elisabeth II., 1926 geboren, war Königin des Vereinigten Königreichs seit 1952. Sie starb am 08.September dieses Jahres, nachdem sie wenige Monate zuvor noch ihr 70-jähriges Jubiläum feiern konnte. Noch zwei Tage vor ihrem Tode hat die „Queen“, wie sie auch weltweit genannt wurde, die neue Premierministerin mit der Regierungsbildung beauftragen können. Sie war eine integre Persönlichkeit und Monarchin, die aus christlicher Gesinnung und hohem Verantwortungsethos – aber ohne wirkliche Macht – wirkte. Ihre vorbildhaft einende Lebensleistung fand leider wenig Nachahmung in der herrschenden politischen Elite Großbritanniens, die aber über kein Empire mehr verfügt. Diese Elite, wesentlich verantwortlich für den Brexit, muss sich angesichts der wirtschaftlichen Probleme damit trösten, dass ihre Sprache, das Englische, die Welt beherrscht. Es ist nur zu hoffen, dass Charles III. das Werk seiner Mutter in einer unruhigen Welt fortsetzen kann.   

Europäische Possen angesichts eines blutigen Krieges: Wladimir P. mag trotz der Probleme, die ihm die widerspenstigen Ukrainer bereiten, auch manches Mal grimmig schmunzeln: Anlass dazu geben ihm seine anderen europäischen Nachbarn zur Genüge. Die EU mit ihrer langandauernden Diskussion, ob und wie und wann ein Ölembargo gegen Russland verhängt werden sollte. Die deutsche Bundesrepublik, vertreten durch die Verteidigungsministerin, zeigt in den Medien aller Welt, wie verteidigungsunfähig die Republik gegenwärtig ist.  Abgesehen von dem sybillinischen Schweigen des Bundeskanzlers muss das Engagement der Ministerin für ihre Truppe als lustlos bezeichnet werden  –  und das angesichts deren abnehmender Einsatzfähigkeit und der gerade beschlossenen hohen Aufstockung des Wehretats (wegen des Krieges in der Ukraine). Aber es gibt noch die fortlaufende politische Posse in London: Als Ergebnis einer langen Untersuchung der „Partygate-Affäre“ (Aufdeckung der vielen Parties während des Lockdowns in Whitehall), die eine hohe britische Beamtin – neben der Londoner Polizei – anstellte, wurde den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Regierung Johnson und ihm selbst grobe Verstöße gegen die Covid-Schutzbestimmungen bescheinigt. Zugleich wurde festgestellt, dass im Regierungszentrum des Vereinigten Königreiches massenhaft gegen den dort selbst aufgestellten ethischen Verhaltenskodex verstoßen wurde. Die Polizei verhängte Geldstrafen, auch gegen den Premierminister. Was tat daraufhin der Regierungschef? Er änderte prompt den Verhaltenskodex, der künftige Verstöße verniedlicht und somit Rücktritte von Ministern oder Premier unwahrscheinlicher werden lässt. Vom Rücktritt des Premiers, den sogar Viele in seiner konservativen Partei fordern, keine Spur, von Scham ebenso wenig. Dafür viel Fremdscham. Ob Boris Johnson bei seinen regelmäßigen Treffen mit der Queen ihr noch in die Augen schauen kann?

Freitag, 27 Mai 2022 17:39

Krieg in Osteuropa

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Der russische Präsident Putin setzte im Februar seine Panzerkolonnen in Richtung Westen in Marsch, um den russischen Machtbereich zu erweitern. Trotz wirtschaftlicher Sanktionen, heftiger Gegenwehr der Ukrainer und westlicher Waffenlieferungen hat er größere Teile der Ostukraine besetzen können. Völkerrechtliche Verträge und Menschenrechte hat Putin missachtet und Millionen Menschen in die Flucht getrieben. Keiner kann zur Zeit vorhersehen, ob sich der Konflikt begrenzen, geschweige denn schnell mit diplomatischen Mitteln beenden lässt. Das ist die bittere Bilanz nach einem Vierteljahr in Europa. Die Erfahrungen nach zwei Weltkriegen im langen 20. Jahrhundert wurden nicht beherzigt. - Es gilt, das Handeln des Autokraten und Menschen Wladimir Putin, der sich auf eine Elite aus Oligarchen, Geheimdiensten und Militär stützt, zu ergründen und ihn zum Frieden zu bewegen. Das politisch, wirtschaftlich und kulturell wichtige Land Russland muss wieder in die Völkergemeinschaft mit ihren Regeln zurückkehren. 

Der Rückgriff auf die Geschichte ist wieder einmal nützlich. Der britische Historiker Richard J. Evans, durch seine dreiteilige Geschichte des Dritten Reiches bekannt geworden, hat in THE NEW STATESMAN (April 2022) das Verhalten von Putin mit dem von Hitler und Stalin verglichen und die Unterschiede betont. Auch die Frage, ob es sich um Völkermord in der Ukraine handelt, hat Evans diskutiert und bejaht: 

https://www.newstatesman.com/international-politics/2022/04/why-putins-war-in-ukraine-turned-into-a-military-disaster Hier die Schlusspassagen des Essays in deutscher Übersetzung:

Sowohl Hitler als auch Putin wurden zu ihren tödlichen Vorstellungen von Gefolgsleuten ermutigt, die kein kritisches Wort über ihre jeweilige  Politik äußerten. Sowohl bei Putin als auch bei Hitler führte die Ideologie – bei dem Einen der nationalistische Glaube an den russischen Charakter der Ukrainer, bei dem Anderen der dogmatische Glaube an die Überlegenheit der „arischen Rasse“ -  zu einem übersteigerten Selbstvertrauen. Das führte schließlich zu demütigenden Niederlagen. Putin hat den Angriff auf die Ukraine mit der Behauptung begründet, die „Nazis“ in der ukrainischen Regierung würden die Vernichtung der Russen in der östlichen Donbas-Region anstreben. Aber hier endet bereits die Ähnlichkeit zwischen den beiden Diktatoren. Putin betrachtet den Zusammenbruch der Sowjetunion als nationale Katastrophe und will das Russland der vorherigen Jahre wiederherstellen. Er will dabei jene Nachbarländer „absorbieren“, denen er die Selbständigkeit abspricht. Hitlers Ziele waren – im Gegensatz zu Putins – nicht auf eine Ecke von Europa begrenzt. Er beanspruchte über die Rücknahme der Gebietsverluste durch den Vertrag von Versailles (1919) und regionale Hegemonie hinaus noch mehr. Hatte er doch bereits am 05. November 1930 seinen Anhängern zugerufen, dass kein Volk mehr als das deutsche Volk ein Recht darauf hätte, den Plan zur „Weltherrschaft“ zu verfolgen. Für Hitler war also der Einmarsch in die Sowjetunion nur ein Schritt in Richtung einer „Weltherrschaft“. Er fühlte sich für Deutschland angeblich verraten durch Sozialisten und Juden durch den „Dolchstoß“ im Ersten Weltkrieg. Putin glaubt, dass die russische Nation sowohl 1917 als auch nach 1989 von jenen Führern verraten wurde, die die Integrität des Landes aufgegeben hätten. Somit sind die Völkermorde als die Ergebnisse sowohl bei Hitlers als auch bei Putins Bemühungen um Revision zu sehen. Dass Hitler dabei geplant hatte und Putin nicht, ändert nichts am Schrecken, der heute in der Ukraine herrscht.

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