Ekkehard Henschke
„Mit Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens!“ (Schiller) oder: „Ècrasez l’Infame!“ (Voltaire)?
Mit der Wahl des republikanischen Ex-Präsidenten Donald Trump zum neuen amerikanischen Präsidenten hat das Wählervolk sich, seinem Land und der Welt einen schlechten Dienst getan. Auch außerhalb der USA wird gerätselt: Waren es die „Dummheit“ des (Wahl-)Volkes, wirtschaftliche Erwägungen, Verführungskünste der Politiker oder gar alles zusammen? Schon bei der Entscheidung für den Brexit hat man sich diese Fragen gestellt. Die Auswahl der künftigen Minister, die Trump nun aus dem Kreise seiner Unterstützer - darunter Querdenker und ambitionierte Milliardäre - getroffen hat, hat weitere Fragen aufgeworfen, darunter die nach der Zukunft der Demokratie in seinem und in anderen Ländern.
Die rückwärtsgewandten, oft diffusen, konservativen Einstellungen, die Donald Trump selbst und sein ebenfalls anti-intellektueller Kreis bisher erkennen lassen, bergen große Gefahren: Sowohl das Anwachsen der innenpolitischen Spaltung (Arm/Reich, Schwarz/Weiß, Alt/Jung, Ost/West) als auch die Unsicherheit über das künftige außenpolitische Verhalten der USA („America First“ statt Stärkung der Bündnisse, wirtschaftlicher Protektionismus statt Handelsabkommen) drohen die bestehenden Konfliktherde zu vergrößern. Hinzu kommt, dass die ausgleichenden Strukturen in der internationalen Politik sich aufzulösen scheinen, da die Vereinten Nationen sich im Niedergang befinden. Im sogenannten westlichen Teil der Welt, insbesondere in den demokratisch organisierten Ländern – mit den USA an der Spitze – gab es bisher stabilisierende Strukturelemente: Dazu gehörten – trotz nationaler Eigenarten - die allgemeine, friedensstiftende Teilhabe der Bevölkerung und die machtausgleichenden Gewaltenteilung. Diese Strukturen werden seit einiger Zeit bewusst von egoistischen Gruppen und populistischen bzw. neurotischen Politikern ausgehöhlt.
Es hilft, den Blick in die Vergangenheit zu lenken. Dabei kann man entdecken, dass es immer wieder Ansätze gegeben hat, das weltweit verbreitete Übel der „Dummheit“, insbesondere das Versagen der menschlichen Vernunft, zu überwinden. In Deutschland gehörten dazu die aufklärerischen Schriften des Philosophen Immanuel Kant, in Frankreich die des scharfzüngigen Literaten Voltaire (vgl. das witzige Video: About Voltaire - Voltaire Foundation). In diesem Jahr wurde nicht nur Voltaires Geburtstag (1694-1778) gefeiert sondern auch der Abschluss eines mehr als 50-jährigen Editionsprojekts: Die Voltaire Foundation for Enlightment Studies an der Universität Oxford präsentierte 205 Bände von Voltaires gedrucktem Werk sowie seiner umfangreichen Korrespondenz. Als ein Produkt der „Digital Humanities“ steht es auch in digitaler Form für die Erforschung des „langen“ 18. Jahrhunderts der Aufklärung zur Verfügung (Our Publications - Voltaire Foundation).
„Écrasez l’infame!“ – „Zermalmt das Niederträchtige!“, rief der kritische Aufklärer seinen Zeitgenossen in der noch feudal geprägten Welt zu und forderte Meinungsfreiheit, Toleranz und Humanität. Nach den Terroranschlägen 2015 in Paris wurde mit „Je suis Voltaire – je suis Charlie [Hebdo]“ die islamistische Attacke gegen die gleichnamige Satirezeitschrift verurteilt (Le onzieme Voltaire-Je suis Charlie fevrier-mars 2015 - Écrasez l’infâme – Wikipedia).
Wer ruft heute den Populisten und Autokraten dieses „Écrasez l’Infame!“ entgegen und mahnt? Aber ist Mahnen noch ausreichend im Fall des neu gewählten US-Präsidenten Donald Trump? Der Schweizer Historiker Jakob Tanner fragt in der Schweizer Tageszeitung vom 16.11.2024 noch deutlicher: (99+) Ist Trump ein Faschist? | Jakob Tanner - Academia.edu
Auf Albert (Einsteins) Spuren
Selten haben mich Aufsätze einer wissenschaftlichen Zeitschrift so beeindruckt wie die neueste Ausgabe von „Albert. Das Journal der Einstein Stiftung Berlin Nr. 8 – Immunforschung“ (2024): Liste – Einstein Stiftung Berlin (einsteinfoundation.de)
Zum einen haben sie mich an den Ausspruch des Zoologen und Naturphilosophen Bernhard Rensch (1900-1990) erinnert, den ich mir während meines (einzigen) Semesters Medizin in Münster im Sommer 1959 einprägte: “Die menschliche Keimbahn ist potenziell unsterblich!“ Die große Bedeutung der Zellforschung wurde auch mir erst allmählich bewusst. Seitdem sind mehrere Generationen von Biowissenschaftlern aktiv gewesen. Sie haben - auch dank der rasanten Fortschritte in der Informations- und Kommunikationstechnologie - weitreichende Resultate in der Immunforschung möglich gemacht. In dem gut verständlichen „Albert“-Heft heißt es im Editorial: „Vielen Menschen scheint erst durch die Pandemie bewusst geworden zu sein, wie komplex das Immunsystem, der Körper und unsere Gesundheit sind – und wie anfällig zugleich.“
Die traurige Seite des wissenschaftlichen Fortschritts ist in der Tatsache zu finden, dass diese Generationen auf dem Gebiet der Friedensstiftung, wie dies der Physiker und Pazifist Albert Einstein (1879-1955, 1921 Nobelpreis) versuchte, nicht gleichermaßen erfolgreich waren. Ein schreckliches Beispiel für das Versagen von Politik und Wissenschaft ist der gegenwärtige Krieg im Nahen Osten. Der Oxforder Medizin-Professor Nick Maynard sah jüngst das menschliche Elend in Gaza und half als Arzt. Sein Bericht vom 26. Juli 2024 in der Oxford Mail (leider mit viel Werbung des Verlags) ist eine eindringliche Mahnung an die Welt zum Handeln: https://www.oxfordmail.co.uk/news/24476949.oxford-surgeon-describes-horrific-injuries-gaza/
Von dem weitsichtigen, aber vertriebenen Albert Einstein stammen viele gute Aussprüche. Dieser gefällt mir gegenwärtig am besten: „Unser Ziel muss es sein, uns aus dem Gefängnis zu befreien, indem wir den Horizont unseres Mitgefühls erweitern, bis er alle lebenden Wesen und die gesamte Natur in all ihrer Schönheit umfasst.“ (https://beruhmte-zitate.de/autoren/albert-einstein/?page=2)
Systemkonkurrenz und Klimakrise als globale Probleme
Ähnlich wie andere Konfliktherde hat sich der Krieg Russlands gegen die Ukraine seit 2014 zu einem Stellvertreterkrieg zwischen den westlich-demokratisch organisierten Staaten einerseits und den östlich-autokratisch organisierten Ländern andererseits entwickelt. Beide Seiten sind gegenwärtig dabei, durch Bündnissysteme ihre Machtpositionen in der Weltpolitik zu festigen. Ein Wettstreit der Systeme mit mehreren Machtpolen ist bereits im Gange.
Demographisch bedeutsam: Das demokratisch organisierte Indien hat nach Angaben der Vereinten Nationen (undesa_pd_2023_india-population_press-release.pdf) Ende April 2023 mit 1.425.775.850 Einwohnern bevölkerungsmäßig das (formal-)kommunistische, wirtschaftsstarke China überrundet. In Indien regiert der nationalistische Hindu Narendra Modi und versucht, eine neutrale politische Position zwischen den beiden Blöcken einzunehmen. Die führenden Politiker in Beijing, mit dem Generalsekretär der KP Chinas Xi Jinping, und Moskau, mit dem Präsidenten und ehemaligen Geheimdienstchef Wladimir Putin an der Spitze, gründen ihre Legitimität auf alte, historische und kulturelle Traditionen, die sie für ihre aggressiven Aktivitäten nach außen und innen in Anspruch nehmen. Zugleich bemühen sie sich, die demokratischen Staaten mit ihren systembedingt labilen Regierungen zu destabilisieren und deren freiheitliche Kulturen als „dekadent“ erscheinen zu lassen. Wir erleben gegenwärtig, dass die autokratisch regierten Großmächte versuchen, ideologisch, politisch, kulturell und militärisch ihre Überlegenheit nachzuweisen. Auch der Wirtschaftskrieg zwischen den Großmächten China und USA gehört dazu.
Europa ist gegenwärtig stark zersplittert. Der Brexit hat die Europäische Union politisch und militärisch geschwächt und Großbritannien wirtschaftlich zunehmend ins Hintertreffen gestellt. Als Staatenbund mit ehemaligen Kolonialmächten, die noch im 19. Jahrhundert dem Feudalreich China ihren Willen aufzwingen konnten, hat die EU bisher nicht zu einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik gefunden. Innenpolitisch haben rechts-populistische Bewegungen in einigen Ländern wie Ungarn und Italien zu Regierungen geführt, die zumindest russlandfreundlich auftreten. Die EU ist zwar wirtschaftlich weiterhin stark in der Weltwirtschaft aktiv. Politisch und militärisch vermag sie aber nur gemeinsam mit den USA eine Rolle zu spielen. Die dort anstehende Präsidentenwahl wird zeigen, wohin die Reise geht. Während Großbritannien nach dem jüngsten Sieg der Labour Party wieder zu einer seriösen Innenpolitik zurückzukehren scheint, ist die Situation in Frankreich noch undurchsichtig.
Die Vereinten Nationen haben angesichts der neuen Blockbildung ihre Bedeutung als friedensstiftende Institution verloren. Die militärischen Konflikte um die Ukraine und Gaza zeigen das in gefährlicher Weise. „Stattdessen“ arbeiten wenigstens internationale Gerichtshöfe und die Verbünde großer internationaler westlicher Medien – darunter New York Times, Guardian, Spiegel, Süddeutsche Zeitung – an der Aufklärung von weltweiten Menschenrechtsverletzungen.
Das andere Riesenproblem: Die internationalen Klimakonferenzen zeigen immer stärker die Zwänge zum Handeln auf, können aber keinen Staat dazu zwingen. Dem Fetisch von der Steigerung des Wirtschaftswachstums wird immer noch Priorität vor der Nachhaltigkeit beim Umgang mit den natürlichen Ressourcen eingeräumt. Das allen Ländern gemeinsame Problem ist die täglich spürbare Verschlechterung des Klimas. Die Weltgemeinschaft, gefährlich zerstritten durch Wirtschaftskrieg und militärische Konflikte, hat bisher nicht zu den notwendigen gemeinsamen Anstrengungen gefunden, die Natur und die Einwohner dieses Planeten dauerhaft zu schützen. Die Menschen haben zwar die intellektuellen, besonders die technischen und wirtschaftlichen Potenziale zur Lösung dieses Problems, offensichtlich aber nicht (mehr) die mentalen Fähigkeiten dazu.
Angesichts eines grassierenden Pessimismus‘ fällt es schwer, den vorsichtigen Optimismus des britischen Wirtschaftspublizisten Hamish McRae (Writing – Hamish McRae) zu akzeptieren, dass die Welt im Jahre 2050 noch lebenswert sein wird. Ein „Warten auf Godot“ ist jedoch gefährlich. Seit den 1970er Jahren wurden Analysen geliefert, Empfehlungen gegeben und auf mögliche Folgen (u.a. Wanderungsbewegungen) hingewiesen: Erinnert sei an die Tätigkeiten der Nord-Süd-Kommission unter Willy Brandt und des Club of Rome (Die Grenzen des Wachstums – Wikipedia). Aus Verantwortung für die jetzt und künftig Geborenen ist es ethisch dringend geboten, dass wir jetzt Lebenden uns immer wieder – wie einst Sisyphus in der altgriechischen Mythologie – um die Lösung dieser Riesenprobleme bemühen: Rettung der Umwelt und des Friedens, Überwindung der gewachsenen Kluft zwischen Arm und Reich. Die Frage bleibt: Stellt diese Kluft, verursacht durch menschliche Gier, nicht eigentlich das Grundproblem dar, das durch Solidarität gelöst werden kann?
Weihnachten und Krieg?
Die beschauliche Weihnachtsdarstellung in der Hofkirche des Normannenplastes ist Teil eines großartigen Mosaikbildes der Bibel, in der die Welt der Antike erscheint. Der Kontrast könnte nicht größer sein: Der Betrachter der heutigen Welt schaut über die Medien zu, wie sich im Nahen Osten und in Osteuropa Menschen gegenseitig systematisch umbringen. Und die Großmächte im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, die aus den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges gegründet wurden, gebieten diesem Morden nicht Einhalt. Die Frauen und Kinder, die besonders darunter leiden, haben diese Gewaltausbrüche sicherlich nicht gewollt! Dabei gilt in allen Religionen, die in den Kriegsgebieten befolgt werden, das Tötungsverbot. Was tun die Kirchen des Christentums, des Islams und des Judentums?
Nach dem jüngsten Bericht des Londoner GUARDIAN (https://www.theguardian.com/world/live/2023/dec/21/israel-gaza-war-live-updates-hamas-leader-ismail-haniyeh-hostage-talks-egypt-palestine?CMP=Share_iOSApp_Other) sind seit dem Massaker der Hamas vom 07. Oktober fast 20.000 Menschen im Gaza-Streifen umgekommen, die dem israelischen Vergeltungsschlag zum Opfer fielen: Zwei Millionen Palästinenser wurden dabei in ihrem eigenen Land vertrieben. Krankenhäuser, Schulen und auch Kirchen bieten keinen Schutz mehr, auch nicht für Frauen und Kinder. Jüdische Menschen werden als Geiseln, palästinensische als Schutzschilde der Terroristen „benutzt“. Die in Oxford lebende Layla Moran, Abgeordnete des britischen Unterhauses mit christlich-palästinensischen Wurzeln, berichtete über die dramatische Situation ihrer eigenen Familie, die sich in eine katholische Kirche in Gaza City geflüchtet hatte.
Währenddessen befestigen die Ukrainer ihre Stellungen gegenüber den Russen und versuchen, ihre Infrastruktureinrichtungen, besonders die Stromversorgung, im drohenden eisigen Winter zu sichern. Aber auch dort geht das Sterben weiter.
Benefizkonzerte wie das der Berliner Philharmoniker trösten und zeigen zugleich die Gemeinsamkeiten von unterschiedlichen Völkern auf, die die Brücke zum Frieden darstellen können ("Gemeinsam für Menschlichkeit": Konzert der Berliner Philharmoniker für Israel | NDR.de - Kultur - Musik). Gebete in den Kirchen und Moscheen wollen ebenfalls Trost und Mut spenden.
Die dringlich zu beanwortende Frage bleibt: Wer stoppt endlich das sinnlose Töten, damit alle ein friedliches und gemeinsames Weihnachtsfest 2023 feiern können?
Krieg und Frieden War and Peace
Der Terrorkrieg der palästinensischen Hamas-Organisation gegen israelische Kibbuz-Bewohner ist ein großes Verbrechen. Nicht nur die dortige Bevölkerung sondern auch Jüdinnen und Juden in vielen anderen Ländern fühlen sich bedroht. Die militärische Reaktion des Staates Israel hat zu Recht die Terroristen getroffen, aber zugleich die palästinensische Zivilbevölkerung im Gaza-Streifen überhart in Mitleidenschaft gezogen. Das hat berechtigte Kritik hervorgerufen. Aber: Was nicht berechtigt ist, Juden einerseits und Muslime andererseits generell dafür verantwortlich zu machen. Die in den letzten Wochen in Deutschland und in anderen Ländern manifest gewordenen Vorurteile sind eine Schande für jeden aufgeklärten Menschen. Sie fördern zugleich die Ausbreitung von weiterem Hass und Krieg auf diesem ohnehin bedrohten Planeten.
Kehren wir zu allererst vor unserer eigenen Haustür: Der deutsche Minister und Vizekanzler Robert Habeck hat jüngst in einer beeindruckenden Rede dazu Stellung bezogen: Vizekanzler bezieht klar Stellung: Viel beachtete Israel-Rede: Habecks Video in voller Länge | ntv - YouTube
Er hat den hier (wieder-)aufgeflammten Antisemitismus scharf kritisiert. Der deutsche Staat und die Gesellschaft haben – neunzig Jahre nach dem Beginn der Judenverfolgung durch den damaligen Staat – die Pflicht, ihre jüdischen Mitbürger zu schützen und zu achten. Das ist „Staatsräson“, aber auch „unsere verdammte Pflicht und Schuldigkeit“ der heute lebenden Generationen, nachdem die vorherigen versagt hatten. Die Historiker, auch die deutschen, haben dieses Versagen und die Folgen schwarz auf weiß analysiert und für einen Jeden lesbar dokumentiert. Den Urgrund – warum Menschen anderen Menschen Böses antun – werden sie wohl dauerhaft erforschen müssen. Die Beantwortung der Frage nach Krieg und Frieden bleibt als Aufgabe den Menschen seit den mythologischen Erzählungen erhalten, vgl. insbesondere die Bibel und den Koran mit dem Problem „Kain und Abel“.
Griechische Impressionen
Ein Urlaub in Griechenland führt stets zu den Wurzeln der europäischen Kultur. Dies wurde mir besonders in diesem Sommer bewusst, als die Orte Athen, Nafplio und Sparta/Mystras auf dem Programm standen. Schönes Wetter, blaues Meer und die reifen Früchte eines Mittelmeerlandes, das von kargen Gebirgen, aber auch von grünen Tälern gekennzeichnet ist. Das sind Empfehlungen für jeden Touristen. Wer näher hinschaut, kann Zeugnisse eines kulturgeschichtlichen Zeitbogens von rund viertausend Jahren erleben. Dieser reicht von der Bronzezeit (mit Hinterlassenschaften der minoischen Kulturen auf Kreta und jenen aus Mykene) über die sogenannte klassische Zeit (gekennzeichnet durch die Kontrahenten Athen und Sparta in der Auseinandersetzung mit den Persern) zu der langfristigen Begegnung mit Rom.
Epidaurus Theater
Der Bogen enthält in der nachchristlichen Zeit die Auseinandersetzungen mit dem Byzantinischen, danach mit dem Osmanischen Reich, um schließlich nach dem Befreiungskampf im 19. Jahrhundert und den Wirren des extremen 20. Jahrhunderts in der Gegenwart anzukommen. Nicht nur die epischen Erzählungen von Homer, sondern die der antiken Historiker Herodot und Tukydides und ein Meer von modernen wissenschaftlichen Arbeiten (vgl. u.a. die Bände 286 und 706 der Serie „A Very Short Introduction“ bei Oxford University Press) sowie insbesondere das Nationale Archäologische Museum von Athen berichten von dieser großen griechischen Vergangenheit.
Sommerloch 2023 und das Prinzip Hoffnung
Es war in diesem Jahr ein irrer Sommer – bis jetzt: Das mediale Loch wurde vollgestopft mit Meldungen über Krieg in Osteuropa, Umstürze in Afrika und verbrennende Wälder in Europa und Amerika. Erschreckend eigentlich, was sich die Menschen dieses Planeten nach einer gerade zu Ende gehenden Pandemie alles „leisten“!
Und dann gibt es in diesem kleinen Biotop Deutschland noch den zusätzlichen „Luxus“: den permanenten Streit innerhalb der regierenden (!) Ampel-Koalition, obwohl doch „alle Welt“ in Deutschland klagt, dass man den Rechten, also der AfD, endlich etwas Substantielles entgegensetzen sollte. Zum Beispiel bei der Bewältigung der Folgen des Klimawandels (nach verpatzter Heizungsdebatte), auch durch die Modernisierung der öffentlichen Verwaltungen (nach jahrzehntelanger Verschleppung der Digitalisierung) und durch die Beseitigung von Ungleichheiten in Gesellschaft (mit Kinderarmut und Bildungsrückständen) und Wirtschaft (mit auch steuerlichen Standortnachteilen). Schließlich gilt es, die Wirtschaft als Wohlstandsmotor für Deutschland und Europa fit zu machen und die Menschen dafür zu motivieren.
Die Weltlage für die nächsten Jahre und Jahrzehnte sieht ernst, aber nicht hoffnungslos aus. Das ist – nach gründlichen Analysen und Handlungsansätzen im Interesse der kommenden Generationen - die Botschaft des schottischen Wirtschaftspublizisten Hamish McRae in The WORLD IN 2050. HOW TO THINK ABOUT THE FUTURE (London u.a. 2023), die verhalten optimistisch endet.
Da möchte man doch den Politikern mit Karl Valentin warnend zurufen: "Mögen hätt ich schon wollen, aber dürfen hab ich mich nicht getraut." Wirklich nicht?
Ein historischer Tag im Kalten Krieg: der 17. Juni 1953
"Da kommen die Hennigsdorfer!" Ab 6 Uhr morgens marschierten am 17. Juni 1953 15.000 Hennigsdorfer Stahlarbeiter durch Wedding nach Ostberlin (Artikel im TAGESSPIEGEL vom 16.06.2003). Rechts im Bild West-Berliner Polizei.
Acht Jahre nach Kriegsende erhoben sich streikende Arbeiter in der DDR gegen die sozialistische Obrigkeit und forderten die Rücknahme der Erhöhung der Arbeitsnormen. Diese und weitergehende politische Forderungen, darunter jene nach freien Wahlen, wie sie am 17. Juni 1953 in zahlreichen ostdeutschen Orten vorgetragen wurden, erschütterten das Regime. Der Westberliner Radiosender RIAS (Radio im amerikanischen Sektor) strahlte diese überregional aus, was wiederum als Provokation gewertet wurde. Nur durch die sowjetischen Truppen mit ihren Panzern und durch die kasernierte Volkspolizei konnte der Volksaufstand schnell unterdrückt werden; vgl. Wikipedia mit weiteren Angaben und Fotos (https://de.wikipedia.org/wiki/Aufstand_vom_17._Juni_1953).
Im Alter von 13 Jahren wurde ich in dem alten Arbeiterbezirk Wedding teilweise Augenzeuge der Ereignisse im geteilten Berlin: Am Vormittag rief mein Stiefvater [Dr. med. Adalbert Schwede, der nahe der Sektorengrenze im französischen Sektor seine Praxis hatte] von der Praxis aus in der Wohnung an und berichtete von Arbeiter-Demonstrationen im Ostsektor. Ich machte mich sofort zu Fuß auf den Weg und erlebte als erstes den langen Marsch der Hennigsdorfer Stahlarbeiter [nördlich von Berlin] durch die Müllerstraße, wo sie auf der Höhe der Müller-Halle von Bäckern und Fleischern mit Brötchen und Wurst versorgt wurden. Ein starkes Zeichen der Solidarität. Der Kampf um die Zurücknahme der Arbeitsnormen, die die Regierung der DDR beschlossen hatte, breitete sich als Aufstand im ganzen Land aus und konnte nur mit Hilfe der sowjetischen „Freunde“ unterdrückt werden.- Ich erlebte an der Sektorengrenze in der Chausseestraße die Motorradfahrer, die in ihren Beiwagen Verletzte vom Brennpunkt Potsdamer Platz in den Westsektor brachten. Und schließlich brummten die ersten sowjetischen Panzer heran und blieben auf der Grenzlinie stehen. Alle hielten den Atem an: Würde ein neuer Krieg ausbrechen? Glücklicherweise passierte dies nicht. Aber Tage später wurden einige der Opfer des Arbeiteraufstandes in Berlin in einem Staatsbegräbnis auf dem Weddinger Friedhof beigesetzt.
Als der Kalte Krieg und die „Freundschaft“ der Sowjetunion zu Ende gingen, konnte sich das Volk der DDR 1989 schließlich durchsetzen. Die Hennigsdorfer und viele andere im wiedervereinigten Deutschland werden sich am 17. Juni 2023 daran erinnern: https://landesregierung-brandenburg.de/gedenken-17-juni-1953/
In English:
Eight years after World War II had ended, the workers of the German Democratic Republic called a strike and stood up against their socialist government. On 17 June 1953 many East German citizens demanded the cancellation of increased work norms and even free elections, demands which horrified the regime. The West Berlin radio station RIAS (Radio im amerikanischen Sektor) broadcast their demands very widely, which the East German authorities characterised as “provocation”. Soviet troops with tanks and the East German riot police quickly subdued the riots.
At the age of 13 I was able to observe what was going on in Wedding, the workers’ district in West Berlin: In the morning of 17. June my stepfather Dr Adalbert Schwede phoned from his surgery in the French sector on the border with Soviet-controlled East Berlin and informed us about the workers’ demonstrations in the Eastern parts of Berlin. I set off at once and watched the long march of the Hennigsdorf steel workers, coming from the north of Berlin, down through the big wide Müllerstrasse. They passed a covered market, where the bakers and butchers provided them with rolls and sausages. A great sign of solidarity. The steel workers’ uprising, demanding that the government stop raising the work norms, spread all over the country. It was finally suppressed by the so-called Soviet “friends”.- Standing next to the border on Chausseestrasse I saw the motor cyclists who had arrived from the centre of East Berlin, where Potsdamer Platz was on fire, carrying wounded people to West Berlin in their sidecars. In the end Soviet tanks appeared and stopped at the border of the Soviet sector. Everybody was frightened: Would there be another war? Fortunately, this did not happen. However, a couple of days later I attended the funeral of some victims of the workers’ riots in Berlin Wedding.
When the cold war and the socalled "friendship" with the Soviet Union ended the people of the GDR finally succeeded in 1989. The people of Hennigsdorf and many other oplaces of reunitede Germany will remember on 17 June 2023.
Was hat Weißkirch mit Karl III. zu tun? Der britische König in Rumänien
Beim Frühstück am Sonntagmorgen fiel mir das Etikett eines Honigglases auf: „Duchy Organic. Pure Honey. … Produce of Romania. Packed in the UK Waitrose Limited. … THE PRINCE OF WALES’S CHARITABLE FUND”. Die Recherche im Internet ergab Näheres über die Aktivitäten des britischen Königs Charles III, bis vor kurzem noch Prince of Wales, für ökologische Landwirtschaft. Darunter zählt aber auch sein Engagement für ein kleines rumänisches Dorf mit einer großen, aber auch sehr bewegten Vergangenheit: Deutsch-Weißkirch in Transsylvanien in den Karpaten: https://de.wikipedia.org/wiki/Viscri; https://de.wikipedia.org/wiki/Viscri#/media/Datei:Biserica_evanghelic%C4%83_fortificat%C4%83_Viscri.jpg
Seit dem Ende des 12. Jahrhunderts ist dieses Dorf eine Siedlung der Siebenbürger-Sachsen Heute leben darin rund 450 Einwohner, hauptsächlich Rumänen, Roma und Ungarn. Die einst deutschen Siedler wurden im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg teils umgesiedelt (nach Sibirien) oder vertrieben. Oder sie verließen zuletzt ihre Heimat mehr oder weniger freiwillig in der Zeit des kommunistischen Diktators Nicolae Ceaucescu (1918-1989) in Richtung Bundesrepublik Deutschland. Mit dessen Sturz endete ein großes Dorfvernichtungsprogramm, so dass auch die alten Bauernhäuser und die Wehrkirche in Viscri, die rumänische Bezeichnung von Deutsch-Weißkirch, erhalten blieb. Der damalige englische Kronprinz Charles begann, sich nach seinem ersten Besuch in Rumänien 1993 für das romantische Dorf bei einem Besuch zu begeistern. Er kaufte zwei Anwesen am Rande der Karpaten, darunter Viscri mit einem Bauernhaus aus dem 18. Jahrhundert. Dort betreibt er bis heute erfolgreich biologisch-organische Landwirtschaft – und eben auch die Honig-Herstellung. Viscri erhielt inzwischen den Status eines UNESCO-Welterbes und entwickelte sich zu einem Tourismus-Magneten: https://www.rferl.org/a/romania-king-charles-village-viscri/32042596.html
Was weniger bekannt ist: Mit Klaus Johannis stellt ein Nachkomme der einstigen Siebenbürgen-Sachsen gegenwärtig den rumänischen Staatspräsidenten. Ob er bei den Krönungsfeierlichkeiten am morgigen 06. Mai zu sehen sein wird, ist nicht bekannt. Wohl aber sind die Beweggründe des britischen Königs Charles III. bekannt, sich in und für Viscri in konservativem Sinne zu engagieren. Will Lloyd hat im aktuellen, linksliberalen NEW STATESMAN (05.-11. Mai 2023) ausführlich geschildert, wie sich Charles schon früh den modernistischen Strömungen in der Städteplanung sowie in der industriell betriebenen Landwirtschaft in seinem eigenen Land widersetzte. Bereits früh hatten die Gedanken insbesondere der esoterisch-antimodernistisch orientierten Schriftsteller Laurens van der Post (1906-1996) und Kathleen Raine (1908-2003) Einfluss auf den britischen Thronfolger gewonnen. Kann Charles als König eines demokratischen Landes mit seinen Vorstellungen und Erfolgen, die er auf dem Gebiet einer nachhaltigen ökologischen Landwirtschaft hier und in Rumänien erzielte, Einfluss nehmen?
Vom Westen reisen in Richtung Osten
Großbritannien bleibt europäisch – was sonst!? Daran kann auch der Brexit letztlich nichts ändern. So denke nicht nur ich im „Land der Demokratie“, in dem ich mich eines „Settled Status“ als EU-Bürger erfreue. Als bewusste Europäer betrachten sich auch viele Briten, die als mediales Sprachrohr - außer dem „Guardian“ - seit einiger Zeit auch den wöchentlich erscheinenden „THE NEW EUROPEAN. Think without borders“ lesen können. In der aktuellen 336. Ausgabe des liberalen Blatts finden u.a. sich kritische Artikel zur britischen Regierungspolitik, aber auch zu den Unruhen in Frankreich und den Entwicklungen in Italien, Spanien, Deutschland und Österreich. Dazu gehören auch Betrachtungen über die Arbeiten des Fotografen Colin Jones, des polnischen Filmregisseurs Krzysztof Kieslowski (THE THREE COLOURS TRILOGY: Red, White and Blue) und die gegenwärtig laufende Kunstausstellung in Amsterdam zum Werk von Johannes Vermeer. Auf der dazugehörenden Webseite findet sich ein weit nach Osten reichender Aufsatz von Isabel Hilton vom 16.04.2023 über die aktuelle chinesische Politik, die die westlichen Länder herausfordert: https://www.theneweuropean.co.uk/xi-jinpings-alternative-world-vision/
Wer als Deutscher von Oxford aus nur etwas in Richtung Osten reist, wird schnell nicht nur auf die geopolitische Lage sondern auch auf die Gefühlslagen der Bundesdeutschen stoßen. In Berlin erlebte ich wieder einmal, dass und wie stark Deutschland zu einem Einwanderungsland für Menschen aus dem Süden (Afrika) und aus dem Osten (Osteuropa) geworden ist. In Dresden, der Stadt, die noch im Februar 1945 sehr stark zerstört wurde, erinnerte ein Graffito daran, dass gegenwärtig der Krieg in der Ukraine ganze 753 km entfernt tobt. In Stettin/Szczecin, der Ostsee-Hafenstadt, die 1945 einen vollständigen Bevölkerungsaustausch (von Russen vertriebene Polen vertrieben Deutsche) erleben musste, bewunderte ich – wie in Dresden – die sichtbare Heilung der Wunden des letzten Weltkrieges. Die langfristigen, aber unsichtbaren mentalen Langzeitfolgen des letzten Krieges konnte ich in Leipzig ausmachen: Dort, in der Stadt der friedlichen Revolution von 1989, stießen meine Frau und ich zufällig auf den Germanisten Dirk Oschmann („Der Osten: eine westdeutsche Erfindung“, 5. Auflage 2023). Im verständlichen Zorn hat er darin allen Deutschen einen Spiegel vorgehalten, der zeigt, wie nach mehr als einer Generation noch immer die im östlichen Teil Geborenen benachteiligt sind.
Nachrichten von Dodo und Manny aus Oxford
Im tierischen Ernst: Von beiden Tieren gibt es sagenhafte Berichte. Vom ersteren war schon die Rede. Es gilt als ausgestorben, lebt aber in der Literatur und – ausgestopft – im Naturgeschichtlichen Museum in Oxford weiter. Nun hat kürzlich der wohlinformierte GUARDIAN berichtet, dass die amerikanische Firma Colossal Biosciences den Dodo in ihren gentechnischen Labors nachzüchten will:
Die Firma ist wissenschaftlich in den USA gut vernetzt und hat sich vorgenommen, dem allgemein beklagten Artensterben aktiv zu begegnen. Dazu gehört als erstes sichtbares Ziel, bis zum Jahre 2027 ein behaartes Mammut zu reproduzieren. Auch in Oxford wartet man darauf. Denn ein lebendes Fossil ist vor wenigen Monaten im zarten Alter von (angeblich) 119 Jahren gestorben: Emmanuelle, liebevoll Manny genannt, war der Star von Regent’s Park College und hatte viele Jahre an dem traditionellen Schildkröten-Rennen der Oxforder Colleges teilgenommen. Die OXFORD TIMES berichtete ausführlich am 13.10.2022 von Mannys letztem Geburtstag, an dem sie einen gepflegten Löwenzahl- und Gurken-Kuchen verspeisen durfte.
Dodo in Oxford's Osney Island
Das Foto habe ich von einem großen Poster am Eingang der Insel Osney gemacht, die zwischen der Themse und einem Nebenfluss in Oxford liegt. Natürlich hat es den Dodo nie in Oxford gegeben, denn dieses (in der Evolution) flugunfähig gewordene Tier aus Mauritius (im Indischen Ozean) ist schon seit Jahrhunderten ausgestorben. Leider auch mit menschlicher „Hilfe“. Es war ein Meter groß und wog zwischen 10,6 und 17,5 kg. Das erhaltene Skelett, das im Naturkundemuseum der Universität Oxford liegt, hat als Vorlage für eine Nachbildung – und für die Traum-Geschichte von Lewis Carrolls „Alice im Wunderland“ gedient, die jedes englische Kind kennt.- Osney hat neben alten gemütlichen Häusern ein hochmodernes kleines Turbinen-Elektrizitätswerk aufzuweisen, das von den dortigen Einwohnern als Genossenschaft organisiert und finanziert wurde und diesen nun seit einigen Jahren den Strom liefert (durchschnittlich 188 Mega-Watt-Stunden im Jahr). Das mittelalterliche Gegenstück ist die nahegelegene Abteikirche vom Ende des 12. Jahrhunderts.
Oxford, eine Stadt mit Tradition und Zukunftsvisionen. Von dort sende ich viele gute Wünsche für ein traumhaftes Weihnachten und eine bessere Wirklichkeit im neuen Jahr 2023!
Zwischen Cherwell und Themse – zwischen Riga und Oxford
Ebenso wie Berlin nicht nur an der Spree, sondern auch an der Havel und an der Panke liegt, so hat die Stadt Oxford ihre Ufer an der Themse und an denen des Flusses Cherwell. Das Foto zeigt die herbstliche Stimmung am Cherwell, auf dem im Sommer die flachen Punting-Boote der Studenten und Touristen gestakt werden. Dabei geht es an mehreren College-Gebäuden vorbei. Darunter ist das junge Wolfson-College. Der aus Riga stammende russisch-britische Philosoph Isaiah Berlin (1909-1997) war 1966 dessen Gründungspräsident. Er hatte in St. Petersburg die Februar- und dann die Oktober-Revolution erlebt. Seine jüdische Familie war dann aber 1921 nach England gezogen. Im November 1945, trafen sich die unter Stalin unterdrückte Dichterin Anna Achmatowa (1889-1966) und der junge britische Diplomat Isaiah Berlin im vom Krieg gezeichneten Leningrad, früher St. Petersburg, dem sie einige Gedichte widmete. Der ungarische Schriftsteller György Dalos schrieb darüber den Roman „Der Gast aus der Zukunft“ (1996/2002). Zwanzig Jahre später kam Achmatowa nach Oxford, wo sie auf Veranlassung von Berlin die Ehrendoktorwürde erhielt. Dort sprach sie in russischer Sprache dieses Gedicht:
https://podcasts.ox.ac.uk/anna-akhmatova-reading-her-poems-about-isaiah-berlin-oxford-1965
Zu Ehren des politischen Philosophen und Vertreters einer offenen Gesellschaft Isaiah Berlin werden jährlich Vorträge in Riga veranstaltet: https://isaiah-berlin.wolfson.ox.ac.uk/Riga . Berlin mahnt damals wie heute: „Let me reiterate: liberty in on sense is basic, the one value which is presupposed by all others in human life – without that no choice, no action, subject or object of moral thought; in my sense, no humanity” (an den amerikanischen Philosophen Henry S. Richardson, 20.04.1988).
Das zweite Elisabethanische Zeitalter ging zu Ende
Selten erlebt man historische Persönlichkeiten und Momente so direkt wie in diesen Tagen der Trauer um Königin Elisabeth II.. In London waren in Trauer vereint Alt und Jung, und zu der Trauerfeier am 19. September 2022 kamen Repräsentanten aus aller Welt. Es gibt einen neuen König, Charles III., aber die Probleme, insbesondere der Krieg in der Ukraine, die globale Wirtschaftskrise und der Klimawandel bleiben. Ein Blick in die Geschichte, hier Großbritanniens, erscheint dennoch sinnvoll.
In der Zeit der englischen Königin Elisabeths I., 1533 geboren, Herrscherin 1559-1603, einer gebildeten und energischen Herrscherin, erlangte England globale Bedeutung. Die Schiffe der Königin, darunter die des Seefahrers Walter Raleigh, erkundeten neue Länder und errangen militärische Stärke auf den Weltmeeren. 1588 wurde die spanische Armada geschlagen und erlitt an der Küste Irlands Schiffbruch. Wie in der Gegenwart war die politische Elite in jener Zeit zerrissen und voller Intrigen. Andererseits ging es wirtschaftlich bergauf, und mit William Shakespeare und anderen Zeitgenossen erwarben sich die englische Literatur und das Theater dauerhafte Weltgeltung. Das goldene Elisabethanische Zeitalter dauerte immerhin 44 Jahre.
Elisabeth II., 1926 geboren, war Königin des Vereinigten Königreichs seit 1952. Sie starb am 08.September dieses Jahres, nachdem sie wenige Monate zuvor noch ihr 70-jähriges Jubiläum feiern konnte. Noch zwei Tage vor ihrem Tode hat die „Queen“, wie sie auch weltweit genannt wurde, die neue Premierministerin mit der Regierungsbildung beauftragen können. Sie war eine integre Persönlichkeit und Monarchin, die aus christlicher Gesinnung und hohem Verantwortungsethos – aber ohne wirkliche Macht – wirkte. Ihre vorbildhaft einende Lebensleistung fand leider wenig Nachahmung in der herrschenden politischen Elite Großbritanniens, die aber über kein Empire mehr verfügt. Diese Elite, wesentlich verantwortlich für den Brexit, muss sich angesichts der wirtschaftlichen Probleme damit trösten, dass ihre Sprache, das Englische, die Welt beherrscht. Es ist nur zu hoffen, dass Charles III. das Werk seiner Mutter in einer unruhigen Welt fortsetzen kann.
Kommentar: Der Zyniker im Kreml mag manchmal auch schmunzeln ...
Europäische Possen angesichts eines blutigen Krieges: Wladimir P. mag trotz der Probleme, die ihm die widerspenstigen Ukrainer bereiten, auch manches Mal grimmig schmunzeln: Anlass dazu geben ihm seine anderen europäischen Nachbarn zur Genüge. Die EU mit ihrer langandauernden Diskussion, ob und wie und wann ein Ölembargo gegen Russland verhängt werden sollte. Die deutsche Bundesrepublik, vertreten durch die Verteidigungsministerin, zeigt in den Medien aller Welt, wie verteidigungsunfähig die Republik gegenwärtig ist. Abgesehen von dem sybillinischen Schweigen des Bundeskanzlers muss das Engagement der Ministerin für ihre Truppe als lustlos bezeichnet werden – und das angesichts deren abnehmender Einsatzfähigkeit und der gerade beschlossenen hohen Aufstockung des Wehretats (wegen des Krieges in der Ukraine). Aber es gibt noch die fortlaufende politische Posse in London: Als Ergebnis einer langen Untersuchung der „Partygate-Affäre“ (Aufdeckung der vielen Parties während des Lockdowns in Whitehall), die eine hohe britische Beamtin – neben der Londoner Polizei – anstellte, wurde den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Regierung Johnson und ihm selbst grobe Verstöße gegen die Covid-Schutzbestimmungen bescheinigt. Zugleich wurde festgestellt, dass im Regierungszentrum des Vereinigten Königreiches massenhaft gegen den dort selbst aufgestellten ethischen Verhaltenskodex verstoßen wurde. Die Polizei verhängte Geldstrafen, auch gegen den Premierminister. Was tat daraufhin der Regierungschef? Er änderte prompt den Verhaltenskodex, der künftige Verstöße verniedlicht und somit Rücktritte von Ministern oder Premier unwahrscheinlicher werden lässt. Vom Rücktritt des Premiers, den sogar Viele in seiner konservativen Partei fordern, keine Spur, von Scham ebenso wenig. Dafür viel Fremdscham. Ob Boris Johnson bei seinen regelmäßigen Treffen mit der Queen ihr noch in die Augen schauen kann?
Krieg in Osteuropa
Der russische Präsident Putin setzte im Februar seine Panzerkolonnen in Richtung Westen in Marsch, um den russischen Machtbereich zu erweitern. Trotz wirtschaftlicher Sanktionen, heftiger Gegenwehr der Ukrainer und westlicher Waffenlieferungen hat er größere Teile der Ostukraine besetzen können. Völkerrechtliche Verträge und Menschenrechte hat Putin missachtet und Millionen Menschen in die Flucht getrieben. Keiner kann zur Zeit vorhersehen, ob sich der Konflikt begrenzen, geschweige denn schnell mit diplomatischen Mitteln beenden lässt. Das ist die bittere Bilanz nach einem Vierteljahr in Europa. Die Erfahrungen nach zwei Weltkriegen im langen 20. Jahrhundert wurden nicht beherzigt. - Es gilt, das Handeln des Autokraten und Menschen Wladimir Putin, der sich auf eine Elite aus Oligarchen, Geheimdiensten und Militär stützt, zu ergründen und ihn zum Frieden zu bewegen. Das politisch, wirtschaftlich und kulturell wichtige Land Russland muss wieder in die Völkergemeinschaft mit ihren Regeln zurückkehren.
Der Rückgriff auf die Geschichte ist wieder einmal nützlich. Der britische Historiker Richard J. Evans, durch seine dreiteilige Geschichte des Dritten Reiches bekannt geworden, hat in THE NEW STATESMAN (April 2022) das Verhalten von Putin mit dem von Hitler und Stalin verglichen und die Unterschiede betont. Auch die Frage, ob es sich um Völkermord in der Ukraine handelt, hat Evans diskutiert und bejaht:
https://www.newstatesman.com/international-politics/2022/04/why-putins-war-in-ukraine-turned-into-a-military-disaster Hier die Schlusspassagen des Essays in deutscher Übersetzung:
Sowohl Hitler als auch Putin wurden zu ihren tödlichen Vorstellungen von Gefolgsleuten ermutigt, die kein kritisches Wort über ihre jeweilige Politik äußerten. Sowohl bei Putin als auch bei Hitler führte die Ideologie – bei dem Einen der nationalistische Glaube an den russischen Charakter der Ukrainer, bei dem Anderen der dogmatische Glaube an die Überlegenheit der „arischen Rasse“ - zu einem übersteigerten Selbstvertrauen. Das führte schließlich zu demütigenden Niederlagen. Putin hat den Angriff auf die Ukraine mit der Behauptung begründet, die „Nazis“ in der ukrainischen Regierung würden die Vernichtung der Russen in der östlichen Donbas-Region anstreben. Aber hier endet bereits die Ähnlichkeit zwischen den beiden Diktatoren. Putin betrachtet den Zusammenbruch der Sowjetunion als nationale Katastrophe und will das Russland der vorherigen Jahre wiederherstellen. Er will dabei jene Nachbarländer „absorbieren“, denen er die Selbständigkeit abspricht. Hitlers Ziele waren – im Gegensatz zu Putins – nicht auf eine Ecke von Europa begrenzt. Er beanspruchte über die Rücknahme der Gebietsverluste durch den Vertrag von Versailles (1919) und regionale Hegemonie hinaus noch mehr. Hatte er doch bereits am 05. November 1930 seinen Anhängern zugerufen, dass kein Volk mehr als das deutsche Volk ein Recht darauf hätte, den Plan zur „Weltherrschaft“ zu verfolgen. Für Hitler war also der Einmarsch in die Sowjetunion nur ein Schritt in Richtung einer „Weltherrschaft“. Er fühlte sich für Deutschland angeblich verraten durch Sozialisten und Juden durch den „Dolchstoß“ im Ersten Weltkrieg. Putin glaubt, dass die russische Nation sowohl 1917 als auch nach 1989 von jenen Führern verraten wurde, die die Integrität des Landes aufgegeben hätten. Somit sind die Völkermorde als die Ergebnisse sowohl bei Hitlers als auch bei Putins Bemühungen um Revision zu sehen. Dass Hitler dabei geplant hatte und Putin nicht, ändert nichts am Schrecken, der heute in der Ukraine herrscht.
Frühling 2022
Auf die Kriegslage in der Ukraine und deren internationalen Auswirkungen nicht einzugehen, ist schlicht unmöglich. Nicht nur das große menschliche Leid wird uns durch die Medien ins Haus getragen. Darin wächst auch die Angst vor dem Übergreifen der Kriegshandlungen auf die direkten Nachbarstaaten. Hierzu passt die Stimme von Helmut Müssener aus Schweden, der die beiliegende Ansprache in seiner Heimatstadt Östhammar hielt. Sie spiegelt die wachsenden Sorgen der bisher neutralen Länder Finnland und Schweden (in Schwedisch, Englisch und Deutsch): https://www.dropbox.com/sh/42e2jyeoxdgcf6z/AADgWUTtCDqdYGoQGGYkSrqza?dl=0
Die ideologischen Hintergründe des Krieges werden deutlich in dem Interview, das die renommierte englische Zeitschrift NEW STATESMAN im April 2022 mit Sergej Karagonow, einem ehemaligen engen Berater von Präsident Putin, führte. Er spricht von einem Stellvertreterkrieg zwischen dem Westen und dem Rest der Welt („proxy war between the West and the rest“): https://www.newstatesman.com/world/europe/ukraine/2022/04/russia-cannot-afford-to-lose-so-we-need-a-kind-of-a-victory-sergey-karaganov-on-what-putin-wants
Die deutsche Bundesregierung spricht zu Recht von einer „Zeitenwende“.
Und trotz alledem – auch trotz Corona - kommt der Frühling wieder ins Land. Mein Interesse galt dieses Mal den Schmetterlingen und Zugvögeln. Diese Lebewesen begeistern mich durch ihre Anmut und durch ihre Möglichkeiten, sehr große Entfernungen zu überwinden. Es muss nicht unbedingt ein Fernrohr benutzt werden, wenn man jetzt Vögel und Pflanzen in ihrer Entwicklung beobachtet. Es ist immer wieder erstaunlich, zu welchen Leistungen Schmetterlinge und Zugvögel fähig sind: https://naturdetektive.bfn.de/lexikon/tiere/insekten-spinnen/distelfalter-eine-unglaubliche-reise.html
Ein weiteres positives Zeichen: Neues Leben entsteht in Deutschland durch die sogenannten Mini-Wälder (Tiny Forsts). Um dem Waldsterben (s.u. Eintrag vom 21.Mai 2020 über die „Kulturlandschaft Wald“) die Stirn zu bieten, sind ganze Schulklassen dabei, die Ideen des japanischen Botanikers und Pflanzensoziologen Akira Miyawaki (1928-2021) umzusetzen: Miniwälder für das Klima, die aus vielen verschiedenen, standortpassenden Baumarten bestehen. In dem Hallenser Landschaftsökologen Bernd Reuter hat Miyawaki einen Nachfolger gefunden, der mit Schülern in Schkopau die ersten Miniwälder in Sachsen-Anhalt gepflanzt hat; vgl. Mitteldeutsche Zeitung vom 25.03.2022: https://www.mz.de/mitteldeutschland/saalekreis/schuler-der-sekundarschule-schkopau-pflanzen-miniwalder-fur-das-klima-3356246?reduced=true
Einen schönen Frühling, einen sonnigen Sommer und einen baldigen Frieden in Europa wünscht sich und Euch allen Euer Ekkehard!
Russia - Ukraine
Russland – Ukraine – Europa: Man kann getrost „Welt“ hinzufügen. Der Krieg, den Russland gegenwärtig gegen den kleinen Nachbarn führt, berührt durch seine humanitären - Tod und Vertreibung – und durch seine ökonomischen Dimensionen – Sanktionen und Energieversorgung – den ganzen Globus. Die ohnehin zerbrechliche Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit, die die Grundlage für internationale Politik sind, korrodieren infolge von falschen und widersprüchlichen Erklärungen und Verhaltensweisen der russischen Regierung. Eine Großmacht mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin an der Spitze, versucht, mit Gewalt ihre Interessen durchzusetzen. Völkerrecht wird gebrochen. Die bitteren Lehren von zwei Weltkriegen scheinen zu Makulatur erklärt worden zu sein.
Die folgenden Notizen stammen aus mehreren Quellen und wurden auch deshalb in Englisch formuliert.
Fake news everywhere? After the disastrous and unethical policy of the American president Donald Trump we experience the unethical behaviour of a Russian president. Step by step we are learning that not only politicians in the West got false news from the Russian government. Even ordinary people in Russia got false informations about the situation in Ukraine. What was worse and still is the disinformation of Russian soldiers who were told to go to Ukraine and fight Nazism-Fascism. The truth is that Ukraine is not a Fascist state and did not start the present war. Isn’t it true that there is only one man, Vladimir Putin, who set on the fire of war because he wants to re-establish a Russian empire? Isn’t it true that ordinary people in Ukraine, children, women and men, are being killed? Isn’t it true that Russian soldiers are also dying? Isn’t it true that not only the Ukrainian but also the Russian ordinary people are or will be suffering from the war? The truth is that Russian women cannot forget and forgive that so many of their husbands and sons were killed in Afghanistan and elsewhere. So why is this war at all?
Swiss author Max Frisch and prescience: Read Ann O’Kelly’s Irish perspective of a well known story: Our Russian friend and our reaction to recent events reminded me of Max Frisch’s Biedermann und die Brandstifter (The Fireraisers), which story I remember reading in Max Frisch’s Tagebuch many years ago.
It’s very apt for today: Biedermann (Mr Everyman, Mr Citizen) allows this homeless guy to live in his attic, yes it’s a bit worrying to have this guy in the attic, but one has to be nicey-nice - and sieh da, next day the house is still standing. And then the first guy brings along a friend, who is just out of prison, and yes, imprisoned for arson, that’s worrying, but sieh da, next day the house is still standing. And then they start bringing in little barrels and they drop one and it suddenly smells like petrol. So you ask what is the petrol for? And the prison guy says he wants to burn the city down – what a joker – and he’s waiting for the wind to be in the right direction. But sieh da, next day the house is still standing, and you invite them to breakfast, and the prison guy is hanging out the window judging the wind direction and the other guy has gone to get wood chips. So you invite them to supper instead and open a few bottles of wine and they ask you for matches, but you don’t give them, you just light their cigarettes, not that wanting matches is at all suspicious. But as they leave after the third bottle and you are saying that we all should trust one another, they ask again for matches, and you give them the matches, as a real arsonist would of course have his own matches - and sieh da, next morning, you are burned to cinders and can’t even be amazed at this turn of events… 1948 that’s from and Frisch calls it a Burlesque – made it into a play later… Oh dear. Prescient…. (London, 04 March 2022)
Solidarity with Ukraine: Help where you can and show your sympathy with Ukraine. Look and hear how Western musicians declared their solidarity: https://www.youtube.com/watch?v=EDkV_vyA8wM
Großreinemachen - Spring-Clean
Port Meadows Oxford
Großreinemachen scheint die Devise in diesem Januar 2022: Das Bild zeigt eine Protestdemonstration, die sich am gestrigen 23.Januar in Port Meadows (Oxford) gegen die Verschmutzung der Themse richtete. Englands großer Fluss ist an diesem grünen Rand der Universitätsstadt normalerweise Zielort von Wanderern, von Paddlern und Ruderern. Er dient aber auch – wie in diesem im Januar - unerschrockenen Engländerinnen und Engländern dem Schwimmen in freier Natur. Nur war es vielen von ihnen zu viel geworden, den Resten menschlicher Aktivitäten im Fluss zu begegnen. Die Verschmutzung durch unkontrolliertes Einleiten von Abwässern - man kennt dies auch gelegentlich in Deutschland – tut weder den Menschen noch den Tieren in und über dem Fluss gut.
Im politischen Sinne droht ein Großreinemachen den Briten in Westminster, seitdem sich der Skandal um die Corona-Parties in Downing Street Nr. 10 ausgeweitet hat und massiver Protest bei vielen Parlamentariern und in den Medien entwickelt hat. Man denke nur an die erneute Veröffentlichung eines Fotos, das die Queen mutterseelenallein – den Corona-Restriktionen folgend - bei der Trauerfeier für ihren langjährigen Ehemann Prinz Philipp im April 2021 zeigte. Gleichzeitig feierte man am Amtssitz des britischen Premierministers lockere Feste. Die Nation war entsetzt. Boris Johnsons Ansehen als Politiker sank auf einen Tiefpunkt, und sein Verbleiben im Amt steht seitdem auf der Kippe.
Alle Jahre wieder
Weihnachten als Fest der Nächstenliebe, aber nicht nur das der Christen. Auch nicht nur das Fest der Wohlhabenden, sondern auch der Armen, denen unsere Solidarität gelten sollte. Erst recht ist Weihnachten ein Fest der Kinder, die der Zuwendung der Erwachsenen bedürfen, aber nicht nur am Weihnachtstag!
Inmitten von neuen Wellen der Corona-Pandemie, der Klimakrise und politischen Gefahren (im Osten Europas) wandern immer noch viele Menschen aus dem Nahen und Mittleren Osten in Richtung Westeuropa, um Wohlstand und Sicherheit zu erlangen. Die Medien berichteten ausführlich über die sogenannten Gestrandeten an der polnischen Ostgrenze. Darunter viele Kinder und Jugendliche, die unter unmenschlichen Bedingungen eine Herberge suchen. Es ist nur ein Beispiel von vielen. Man denke nur an jene Kinder, die in den riesigen Zeltsiedlungen im Nahen und Mittleren Osten leben müssen. Auf deren Elend machte im Oktober die Theatertruppe "Handspring Puppet Company" unter dem Motto "AMAL MEETS ALICE" im Zentrum von Oxford aufmerksam. Die kleine Amal ist ein junges Flüchtlingskind in Gestalt einer riesigen Puppe. Sie trifft auf das englische Mädchen Alice, das jeder in Oxford als das Kind im Wunderland kennt. Beide wandern symbolisch gemeinsam mit ihren Erinnerungen und Hoffnungen durch die Stadt. Amal steht dabei stellvertretend für all jene Kinder, die von ihren Familien getrennt wurden. Amal reist mehr als 8.000 Kilometer durch Europa - von der syrisch-türkischen Grenze bis zur englischen Stadt Manchester: Diese epische Reise "THE WALK" wurde in Form einer Prozession von Tänzerinnen und Musikern dargestellt, um die Geschichte zweier miteinander verbundenen und von einander lernenden Kindern aus verschiedenen Welten darzustellen.- Auf das realistische, millionenfache Elend der Flüchtlingskinder weist das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen hin: UNICEF . Denken wir nicht nur an unsere, der Älteren, Wünsche, sondern vor allem an die Sehnsucht der Kinder und Jugendlichen in aller Welt nach Sicherheit, Geborgenheit und Entfaltungsmöglichkeiten. Wir sind es ihnen schuldig.
Remembrance Day - Volkstrauertag 2021
Gedenken diesseits und jenseits des Ärmelkanals. Die Erinnerung an den Ersten, den Großen, Weltkrieg ist in Großbritannien stärker im öffentlichen Bewusstsein verankert. Die Erinnerung an die Opfer des Zweiten Weltkriegs wird in Deutschland zusammen mit dem Gedenken an die Opfer des Holocausts wachgehalten. Einige Gedanken bei der Feier in Oxford gingen zu den Kriegstoten der Familie Henschke, die in Frankreich und England liegen.
What impressed me most was the presence and the words of the representatives of the Church of England as well as those of the Oxford Jewish Community, the Muslim, the Hindu, the Quaker and the Humanist Communities. They represented the great diversity of Oxford’s population and solemnly showed their loyalty to Great Britain and its Queen. Led by the Lord Mayor of Oxford and framed by the military they all paid their tributes to the dead and laid down their traditional wreaths of poppies on the War Memorial. At the end of the First World War the poppy was the first flower to be seen in the mud of the Western Front amidst the devastation and desolation of the landscape of Flanders. The Royal British Legion adopted it in 1929 as a symbol of remembrance, sacrifice and hope after the first Armistice Day service took place on the 11 November 1919 on the grounds of Buckingham Palace.
It has always been a moving event. This time I went there to remember in silence my father and my uncle, my godfather. But could these two German soldiers, who fought and died in France and in the air over Great Britain, be equally remembered in Oxford as in Germany? After 1919 German politicians discussed the painful outcome of the First World War and wanted to remember the dead soldiers. In 1952 the so called “Volkstrauertag” was established as the day of mourning and ever since remembers the dead of all wars and all victims of violence.
Satire und Realsatire in Vergangenheit und Gegenwart
Das Vergnügliche zuerst: Aus Leipzig erhielt ich gerade das Buch „Freie Spitzen“, das sowohl voller Erinnerungen des Kabarettisten Bernd-Lutz Lange als auch prall gefüllt ist mit Witzen aus der „schlechten alten Zeit“ des Sozialismus. Der Leipziger Graphiker Egbert Herfurth hat dazu die passenden, hintersinnigen Illustrationen beigesteuert. Beide wuchsen als „Kriegskinder“ auf, erlebten und notierten, wie sich das Volk „hinter dem Eisernen Vorhang“ mit bissigem Humor vom inneren Druck frei machten. Die Russen und die Polen ebenso wie die Bulgaren, Rumänen, Ungarn und die Deutschen taten es jeweils auf ihre Weise – und mussten oft genug dafür bis zum großen Umbruch um 1990 büßen. Das Buch ist sehr lesenswert, wenngleich mir oft das Lachen im Halse stecken blieb. Auch weil manche Witze dem Berliner Volksmund von heute entstammen könnten.
Eine fortlaufende Realsatire wird gegenwärtig in der Stadt an der Spree geboten, bei der sowohl die handelnden Politiker als auch die strapazierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung mitwirken - und die Berliner und ihre Gäste für menschliches und strukturelles Versagen büßen müssen. Die gerade griffig wirkenden Hieb- und Stichwörter sind „Wahlpannen“ und „Flughafen“. Hier ein paar Wortmeldungen: aus dem Berliner „Tagesspiegel Checkpoint“ vom 20. Oktober 2021:
„Es gibt in Berlin so etwas wie eine kollektive Verantwortungslosigkeit.“
„Die Verwaltung ist heute schlechter aufgestellt als jede Kreissparkasse.“
„Inkompetenz gibt’s auf allen Ebenen.“ „Es geht nicht alles schief. Aber es gibt strukturelle Probleme.“
Und nun ratet mal, wer hier zitiert wurde? Es war Klaus Wowereit, der bis 2014 die Stadt an der Spree regierte und nun statt Verwaltungsreformen gar eine Revolution im demokratischen Berlin fordert. Er hatte vorher dreizehn Jahre Zeit dafür …
Wahlen und Reisen in Zeiten der Pandemie
Nun ist es endlich heraus, das vorläufige Wahlergebnis: https://www.bundeswahlleiter.de/bundestagswahlen/2021/ergebnisse.html
Von den Dreikämpfern errang Olaf Scholz von der SPD einen Erfolg, den er vermutlich vor dem müden Wahlkampf selbst nicht erwartet hatte. Die eigentlichen Verlierer waren der Christdemokrat Armin Laschet, der von Angela Merkel nur mäßig „geliebte“ Erbprinz, und die auch politisch „grüne“, aber sehr schlagfertige Annalena Baerbock. Beide waren mehrmals ungeschickt in die Öffentlichkeit getreten. Das übliche Gerangel darüber, wer die Kanzlermehrheit im neuen Bundestag mit welchen Koalitionspartnern erreichen wird, hat begonnen. Die Öffentlichkeit wird sich gedulden müssen. Vermutlich wird Angela Merkel, im Ausland auch als „Weltpolitikerin“ zum Abschied gelobt, noch bis Ende des Jahres amtieren müssen.
Wer in Deutschland wahlkampfmüde geworden ist, wird wach, wenn er von den Schwierigkeiten des Reisens in der Zeit der Pandemie erfährt. Und er wundert sich, wenn er erfährt, wie viele Menschen dennoch den Ärmelkanal überqueren.
Wir in Oxford taten es Mitte August 2021 und haben es nicht bereut: Die deutsche Metropole Berlin, das Rheinland und die alte flämische Stadt Gent haben uns - bei gutem Wetter – dafür belohnt. Für die Hinreise mit dem Flugzeug (zum neuen, nüchternen Flughafen Berlin-Brandenburg) benötigten wir neben dem Reisepass den Nachweis über die vollständige Impfung (Covid-Pass). Für die Rückreise mit der Bahn (durch den Tunnel) von Gent, Belgien, über Brüssel nach London brauchten wir neben dem Reisepass und dem Covid-Impfpass: den Nachweis der unbefristeten Aufenthaltsgenehmigung in UK (Settled Status), das bestätigte Formular der Visa- und Einreiseabteilung des UK-Innenministeriums (Public Health Passenger Locator Form) mit dem Nachweis über den gebuchten (englischen) PCR-Test (zwei Tage nach Ankunft in UK) sowie den Nachweis des (belgischen) PCR-Covid-Test (drei Tage vor Abreise).
Die Widersprüchlichkeit der Politik zeigte sich erneut sehr deutlich: Belgien und Deutschland wurden vom englischen Innenministerium als gelbes (Belgien) bzw. grünes (Deutschland) Risikoland betrachtet. Die aktuellen Zahlen der neuen Covidfälle zeigten dagegen UK eindeutig als besonders gefährliches Land aus: UK: + 29.323, Deutschland: + 5.682, Belgien: + 1.938 (Stand: 19.09.2021); https://www.worldometers.info/coronavirus/
Was bisher gar nicht in den Medien diskutiert worden ist: Wie können ältere Menschen, die sich nicht wie selbstverständlich in der digitalen Welt mit I-Phone und I-Pad zurechtfinden, die genannten Reisedokumente erwerben und aktualisieren? Mein Rat: im Rahmen des „Generationenvertrages über digitale Zusammenarbeit“ im Zweifelsfalle stets die benötigten Dokumente rechtzeitig ausdrucken…
Mauerbau in Berlin: Der 13. August 60 Jahre danach
Es war ein ungewöhnlicher Ort, an dem ich vom Mauerbau erfuhr: Ich fuhr als Salonjunge (Stewardlehrling) auf dem deutschen Frachter „Susanne Fritzen“, der Eisenerz von Narvik nach Deutschland brachte. Es war der Tag danach, am 14. August 1961, dass ich durch die gefunkte Bordzeitung von der unerwarteten Teilung der Stadt Berlin erfuhr. Die Regierung der DDR baute den „antifaschistischen Schutzwall“, um die massenhafte Abwanderung zu stoppen. Am Tag zuvor, am 12. August, waren laut Wikipedia noch 3.190 von Ost- nach West-Berlin geflüchtet. Zwischen 136 bis 245 Menschen – darunter 1962 der 18-jährige Peter Fechter – verloren bei Fluchtversuchen ihr Leben. Die 156 km lange Mauer um West-Berlin trennte auf lange Zeit viele Familien und bisherige Beschäftigte von ihren Arbeitsplätzen.
Heute vor 60 Jahren sei an den Schrecken erinnert, den ich wie viele Berliner bei dieser Meldung erlebte. Es klang zunächst unglaublich, dass diese schon seit 1945 viergeteilte Stadt nochmals – und dieses Mal durch eine Mauer – getrennt wurde. Berlin wurde das sichtbarste Zeichen für die Teilung Deutschlands in der Zeit des Kalten Krieges. Erst 1989 wurde diese Teilung beendet. Dies war das Ergebnis der friedlichen Revolution der Bewohner der DDR selbst, nachdem der ideologische und ökonomische Wettstreit zwischen dem Ostblock und dem Westen entschieden war und die geschwächte Sowjetunion auf Gewaltanwendung - anders als 1953, 1956 und 1968 - verzichtet hatte. Einen Tag, nachdem der Bundeskanzler es getan hatte, konnte auch ich - aus Stuttgart kommend - am 23.Dezember 1989 wieder durch das Brandenburger Tor gehen...
Zwei Jahre vor dem Fall filmte der kanadische Kameramann Jean Bergeron die Mauer, die Ost-Berlin von West-Berlin trennte. Dieser Bericht dokumentiert deutsche Geschichte:
https://www.youtube.com/watch?v=IaEkuPO89lc
Welcher Weg? Which Way?
Corona, Flutkatastrophen in Westeuropa, Frust der Naturwissenschaftler und Griff der Milliardäre nach den Sternen
Corona, flooding in Western Europe, frustrated scientists and the billionaires‘ reaching for the stars
Politisches Versagen hat in der Corona-Pandemie anfangs überall fatale Folgen gehabt. Man denke an die USA unter Trump und Brasilien unter Bolsonaro. Dank der Forschungskapazitäten in einigen europäischen und asiatischen Ländern wurden in extrem schneller Zeit Impfstoffe entwickelt, die in einigen Ländern, z.B. dem kleinen Israel und dem riesigen China, zur Immunisierung des überwiegenden Teils der Bevölkerung geführt hat. Bei der Verteilung der Impfstoffe zeigte sich aber wieder einmal die Ungleichheit zwischen reichen und armen Ländern, aber auch die Ungleichheit innerhalb der wohlhabenden Länder selbst:
Indien, das nach China bevölkerungsreichste Land der Erde, wurde von der Pandemie vermutlich am allerstärksten getroffen. Von Afrika wissen wir es noch nicht. In Indien mit seinen 1,3 Milliarden Menschen hat es unter Modi groteske politische Fehlentscheidungen – und zugleich die schnelle Entwicklung eines eigenen Impfstoffes gegeben. Experten haben kürzlich geschätzt, dass dort die Corona-Todeszahlen zwischen 3 und 4,7 Millionen (Januar 2020 bis Juni 2021) die offiziellen Meldungen um ein Zehnfaches übertreffen. Die Bilder sprechen Bände; vgl. Associated Press vom 20.07.2021:
Wie sieht es im wohlhabenden Westeuropa aus, in dem die Pandemie noch keineswegs überwunden ist? Ähnlich wie die Klimaforscher, die die politisch Verantwortlichen zum Handeln auffordern, erhebt z. B. die amerikanische Wissenschaftlerin Devi Sridhar in Großbritannien ihre kritische Stimme. Sie warnt wie viele andere ihrer KollegInnen davor, angesichts der neuen Variante Delta die bisherigen Vorsichtsmaßnahmen aufzuheben:
https://www.zeit.de/gesundheit/2021-07/freedom-day-grossbritannien-corona-parade-inzidenz-infektion
Zu allem Überfluss plagen gegenwärtig erhöhte Corona-Krankenzahlen die britische Wirtschaft, die auf das verstärkte Testen auf Corona zurückgeführt werden. Zugleich werden weitere Auswirkungen des Brexits sichtbar. Bettina Schulz berichtet in der ZEIT vom 27.07.2021, wie sich Verzögerungen in der Logistikbranche durch die Zollabfertigungen negativ in den Regalen von Lebensmittelmärkten auswirken.
Ein Problem blieb den Briten bisher erspart: die vom Klimawandel beförderten Flutkatastrophen. Darunter stöhnen gegenwärtig einige westeuropäische Länder. Besonders in den deutschen Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz und im benachbarten Belgien haben flutartige Überschwemmungen zu etwa 200 Toten und Verwüstungen geführt. Trotz der großen Solidarität der Helferinnen und Helfer bleiben solche Bilder wie die von den Weinanbaugebieten an der Ahr haften:
Von Solidarität der Superreichen mit den Superarmen kann angesichts der Ereignisse wahrlich keine Rede sein. Dass dies gigantische Ego-Trips waren, bewiesen im Juli dieses Jahres zuerst Richard Branson (71), Chef der Virgin-Gruppe, und dann Jeff Bezos (57), Amazon-Gründer. Beide gaben Milliarden dafür aus, um allein bzw. in kleiner Begleitung für elf (!) Minuten schwerelos am Rande des Alls gewesen zu sein. Der Tesla-Autobauer Elon Musk (50) will noch folgen:
Der technische Fortschritt zeigt sich ambivalent: Die Menschen können einerseits zum Mond und Mars fliegen und in Rekordzeit Impfstoffe gegen Viren entwickeln:
https://www.hachette.co.uk/titles/sarah-gilbert/vaxxers/9781529369892/
Andererseits können die Menschen mit ihrem egoistischen Streben nach immer mehr Wohlstand ihren eigenen Untergang durch Klima- und /oder nukleare Katastrophen bewirken. Muss der Ausgang dieser Entwicklung wirklich offen bleiben?
Urlaub von der Pandemie
Kurz vor dem offiziellen Sommerbeginn hat es schon heiße Tage hier in Oxford gegeben. Sowohl in der Themse als auch in dem kleineren Fluss Cherwell haben sich die Menschen bereits verschiedentlich abgekühlt. Die sogenannte Außengastronomie wird kräftig genutzt. Am 19. Juni setzte der Temperatursturz ein von 26 auf 13 Grad! Alle Restriktionen aufzuheben, verschob die britische Regierung um weitere vier Wochen auf den 19. Juli. Grund dafür waren die Sorgen um die aggressive Corona-Variante Delta, die die Zahl der Neuinfektionen auf 10.476 (18.06.2021) anwachsen ließ – trotz der großen Impferfolge mit 80 % (Erstimpfungen) und der vielen Tests. Deutschland zählte 1.284 neue, bestätigte Corona-Fälle bei einer Impfquote von 50 % (Erstimpfungen). Eben wegen der besonders ansteckenden Delta-Variante hat man in Berlin Großbritannien als Risikogebiet eingestuft. Mal sehen, wie sich das in der Urlaubszeit auf das Reisen auswirken wird.
Die Wirkungen der Pandemie hat der Fotograf Emilio Morinatti von Associated Press sehr eindrücklich festgehalten. Er hat zu Recht dafür den Pulitzer-Preis erhalten. Man kann ihm für diese traurigen Zeitzeugnisse nur danken:
Trotz alledem: Hier der Tipp für eine Reise nach Norfolk im Nordosten von England. Wir haben kürzlich einen Kurzurlaub von der Pandemie gemacht und mit der alten Bischofs- und (jungen) Universitätsstadt Norwich (143.000 Einwohner) angefangen. In der schmucken Altstadt mit der Kathedrale sollte man den Evensong (Abendgottesdienst mit Chorgesang) und das Grab der englischen Krankenschwester Edith Cavell (1865 bis 1915, in Brüssel von den Deutschen wegen Hochverrats erschossen) nicht versäumen; aber auch nicht die oberhalb davon gelegene Burg. Von den sogenannten Baedeker-Angriffen der deutschen Luftwaffe von 1942 hat sich die Stadt schnell wieder erholt. Unter den gastronomischen Ereignissen gefiel uns z.B. die Tapas in „Revolucion de Cuba“. Dagegen waren die zahlreichen zur Schau getragenen Tätowierungen oft Geschmacksache. Der zweite Teil der kleinen Reise galt zwei Naturschutzgebieten nahe der Küste mit Torfgebieten (the Broads) und dem Marschland, in dem Vogel- und Robbenbeobachter auf ihre Kosten kommen können. Wir kehren mit Sicherheit hierher zurück.
Auch darauf - die Geschichte holt uns immer wieder ein -, dass Deutschland nach der Reichsgründung sieben Jahre später, 1888, das sogenannte „Drei-Kaiser-Jahr“ erlebte. Dazu mehr und dass es zu der Zeit noch viel mehr Kaiser gab – in Europa und in Übersee - bei OUP:
Pandemic in India - a human and political desaster
A Russian super airplane bringing medical drugs and devices to India hit by the third Corona wave. The BBC reports from Northern Ireland:
More aid is coming from Germany and other Western countries. The daily infections rate mounted to about 400.000. Oxygen for treatment and human resources are lacking. One of the hotspots is the state of Maharashtra with the megacity of Mumbai (Bombay) in the West. How is the famous charity ADAPT (formerly Spastic Society of India) providing physical and psychological treatment for handicapped children (mostly from its shanty-town Dharavi)? I am in contact with its staff:
"Hope you and the other people of ADAPT are safe. Please let me know how you are protecting the handicapped children in Dharavi. How is vaccination going on in Mumbai?
Best wishes from Ekkehard"
Answer from Varsha, deputy of Dr Mithu Alur, the charity's founder, on 07/05/2021:
Hi. We are all safe, thank you. Dr. Alur had started tele therapy and online teaching immediately so we are in touch with the children and young adults. Some have returned to their villages of course.... They've started vaccinating you above 18 now... Most of us have taken the first dose of the vaccine. Waiting for enough vaccines to be available for the second shot. Hope you and Helen are well... And have taken both the shots. Regards".
Good news only - nur gute Nachrichten heute!
Heute, am 20. April 2021, scheint in Oxford erneut die Sonne, es gibt blauen Himmel wie in Spanien und Italien. Wie sieht das Stimmungsbarometer aus? In Deutschland gibt es für die Bundestagswahlen im September endlich drei Kanzlerkandidaten: Armin Laschet (60; CDU: nach Kämpfen und Krämpfen), Olaf Scholz (62; SPD: altgedienter Genosse) und Annalena Baerbock (40; Grüne: die junge Herausforderin). Die gesetzliche Corona-Notbremse muss gezogen werden. Das Impfen und die Stimmung müssen endlich besser werden. Hier in Großbritannien scheint die Stimmung schon besser zu sein, sind doch die Infektionszahlen – anders als in Deutschland – dank der großen Fortschritte beim Impfen und Testen stark rückläufig: Die Sieben-Tages-Inzidenz lag gestern in Oxford bei 23. In der deutschen Partnerstadt Bonn liegt sie gegenwärtig bei 189.
Was liegt bei solchem Wetter daher näher, als sich mit einem Pint (0,6 l) Bier in den Liegestuhl zu legen und einmal von der Normalität aus der Zeit vor der Pandemie zu träumen? Dieser weltweit geschätzte Saft wird auch in England gebraut, in den Pubs wegen der Pandemie aber lange nicht mehr getrunken. Es gibt sowohl die großen Brauereien in London, z.B. das dunkelblonde „London Pride“ von Fuller’s Brewery, als auch viele kleinere englische Brauereien. Auch in Oxford und Umgebung gibt es die Kessel, in denen gutes Bitter (leichtes helles Bier), Lager (untergäriges Bier) oder verschiedene Sorten Ale (übergäriges Bier) produziert wird. Positiv überrascht war ich, als ich vor einigen Jahren in der Hafen- und Universitätsstadt Bristol eine Mini-Brauerei entdeckte, die gerade in einer Garage mit der Herstellung des Hopfensaftes begonnen hatte. Ich war begeistert und bekam zu meinem Geburtstag promptest eine Kiste mit Proben der gesamten Braukunstprodukte aus Bristol geschenkt. Die Namen und Aufmachungen verlockend: Darunter waren „Optimist“ der Bristol Beer Factory (Pale Ale), „Shangri-La“ (IPA, d.h. India Pale Ale) von Arbor Ales, „Nor’Hop“ (Ultra Pale Ale) der Moor Beer Company, „Time Lapse“ (Bitter) von Good Chemistry Brewing und „Hubble Bubble“ (Pale Ale) der Zwei-Mann-Firma Tapestry. Das letztgenannte Getränk erinnerte an die Hexenküche in Shakespeare’s „Macbeth“ erinnern. Im 4. Akt treten bei Donner die drei Hexen auf. Sie rühren in einem riesigen Topf und beschwören „Double, double toil and trouble/Fire burn and cauldron bubble!“ Wie dieses Gebräu schmeckte, wissen wir nicht. Das Bier aus Bristol - das weiß ich inzwischen – ist gut.
Europe’s vaccine mess/Europas Durcheinander beim Impfen
So titelte am 16.03.2021 die NEW YORK TIMES in der Rubrik „The Morning“ von David Leonhardt. Und fuhr gleich fort: „Good morning. New coronavirus cases are declining in countries with high vaccination rates. Then there is Europe“/“Guten Morgen. Die Zahlen der Corona-Neuinfektionen sinken in jenen Staaten, die hohe Impfzahlen haben. Und dann gibt es (noch) Europa“.
Als die drei Besten werden Israel, die Vereinigten Arabischen Emirate und Großbritannien genannt. Chile folgt inzwischen. Sogar in den USA gehen die Infektionszahlen zurück - parallel zur Steigerung der Zahl der Geimpften. Dagegen dümpeln die Impfaktionen in vielen EU-Ländern trotz steigender Infektionszahlen dahin. Sogar die Zeitung „BILD“ rief aus: „Liebe Briten , We Beneiden You!“:
Leider teilten die BILD-Journalisten ihren Lesern nicht gleichzeitig mit, wie katastrophal die britische Regierungspolitik seit Ausbruch der Pandemie ablief. Das hat Laura Kuensberg, die kritische BBC-Politikredakteurin den Briten aufgezeigt: https://www.bbc.com/news/uk-politics-56361599
Der Weckruf an die Europäer ist dringend erforderlich, da die Meldungen von Unzufriedenheit mit dem europäischen Schlammassel in einigen Ländern wie Italien, Spanien und Holland nicht zu übersehen sind. Ob der Ruf gehört wurde, als das Impfen mit dem AstraZeneca-Stoff plötzlich gestoppt wurde?
Warum verhält sich die deutsche Regierung, immerhin das geopolitische Kernland der EU, in der Impffrage so wenig pragmatisch und damit so wenig effizient, wie es wie die britische seit einigen Monaten tut?
Die Kritik an den Europäern von jenseits des Atlantiks ist berechtigt – ebenso wie die Kritik der Europäer an der Pandemie-Politik unter Präsident Trump berechtigt war.
Die Analyse der NYT nennt drei Ursachen:
Erstens: Es ist die überbordende Bürokratie („Too much bureaucracy“). Großbritannien, die USA und andere Länder beeilten sich, Verträge mit den Herstellern von Impfstoffen abzuschließen. Dagegen bemühte sich die EU-Kommission zunächst um Einigkeit zwischen allen 27 Mitgliedsländern, wie man solche Verhandlungen führen sollte. Dieser Prozess hatte Vorrang vor der Geschwindigkeit bei der Beschaffung der Impfstoffe.
Zweitens: Das Prinzip „Sparsam im Kleinen, doch verschwenderisch im Großen“ („Penny-wise and pound-foolish“). Die EU legte großen Wert darauf, in den Verhandlungen möglichst niedrige Preise für die Impfstoffe zu erzielen. Sie erreichte 15 bis 19 Dollar pro BionTech/Pfizer-Dosis und musste sich dann in der entstehenden Warteschlange hinten anstellen. Angesichts einer gewaltigen jährlichen Wirtschaftsleistung der EU wären die Ersparnisse bei den Impfstoffpreisen zu vernachlässigen gewesen, wenn man die Kosten eines einzigen neuen Lockdowns, z.B. in Italien, dagegengehalten hätte. Die Israelis zahlten, um den Stoff schnell zu bekommen, den Premium-Preis von 25 Dollar und erzielten bis jetzt eine Impfquote von 60 % (bei den erstmals Geimpften)!
Drittens: Die europäische Skepsis gegenüber dem Impfen („Europe is the world’s epicenter of vaccine skepticism“). In 19 Ländern wurden die Einwohner gefragt, ob der Covid-Impfstoff als sicher und wirksam anzusehen wäre. In China bejahten dies 89 % und in den USA 75 %. In Deutschland waren es dagegen nur 68 %, in Frankreich sogar nur 59 %. So war es kein Wunder, dass Deutschland und Frankreich so schnell den Einsatz von AstraZeneca mit dem Hinweis auf (sehr wenige, nicht genau untersuchte) Thrombose-Fälle stoppten.
Last but not least: Das „Licht am Ende des Tunnels“ – so wurde die schnelle Entwicklung von Impfstoffen und deren Nutzung bezeichnet – ist zwar noch klein in Deutschland (8,4 % bei den erstmals Geimpften), aber dort wenigstens nicht geringer geworden. Ein Beispiel für Erfolge beim Impfen sind Meldungen aus der Bundeshauptstadt. Z.B. diese aus dem eigenen Familienkreis. Mein Schwager schrieb begeistert von seiner zweiten Impfung: „Ich muss lobend erwähnen, dass es in Berlin sehr gut mit Hilfe von Militär und Studenten organisiert ist. Du wirst sogar kostenlos mit dem Taxi chauffiert, ein ganz toller Service. So hoffe ich, dass bald wieder etwas Normalität eintritt und dass man sich wieder etwas näherkommen darf.“ Es geht also doch, auch in der Hauptstadt, die so oft wegen ihrer Bürokratie kritisiert wird. Für alle EU-Mitgliedsstaaten muss jetzt – nach der erneuten Empfehlung des Impfstoffes AstraZeneca - die Devise heißen: „Nicht kleckern, sondern klotzen“: Werben für das Impfen, um Vertrauen wiederzugewinnen, und möglichst vielen Menschen den kleinen schützenden Pieks geben.
Übergangsgesellschaften 1871 – 1941 – 1951 – 1961 - 1991 - 2021
Die deutsche Geschichte ist wahrlich nicht arm an bedeutsamen Jahreszahlen. Daran soll erinnert werden. Die unten abgehandelte Erinnerung an die Reichsgründung von 1871 im besetzten französischen Königsschloss von Versailles: Es handelte sich um eine von Fürsten beschlossene nationale Einheit unter einem deutschen Kaiser; sie war sicher nicht die 1848 von deutschen Demokraten gewünschte. Nach Jahren des Friedens und der Prosperität kam der von deutscher Großmannssucht angezettelte Erste Weltkrieg mit nachfolgenden Krisen und dem Aufstieg des Faschismus. Zwei Jahre nach Auslösung des Zweiten Weltkriegs war 1941 das Jahr der ungebremsten deutschen rassistischen Aggression in Richtung Osten; es war zugleich Höhe- und Ausgangspunkt des Untergangs nationalsozialistischer Herrschaft im Jahre 1945.
Nur wenige Jahre später, 1951, wurde im sowjetisch bestimmten Teil Deutschlands der erste Fünfjahresplan zur Entwicklung der (sozialistischen) Wirtschaft begonnen. In dem von den Westalliierten bestimmten Teil Europas lief der amerikanische Marshall-Plan (European Recovery Program 1948-1951) auch für die (marktwirtschaftlich orientierte) Bundesrepublik aus.
Zehn Jahre später, am 13. August 1961, wurde die Mauer in Berlin errichtet und Deutschland noch sichtbarer geteilt. Ich erfuhr davon an Bord der TS "Susanne Fritzen", als ich mitten auf dem Atlantik die Bordzeitung las. Aber keine trennende Mauer der Welt hält ewig:
1989 rebellierten die Leipziger und Berliner erfolgreich auch gegen diese Mauer. Zwei Jahre nach dem politischen und ökonomischen Zusammenbruch der DDR beschloss der deutsche Bundestag im Jahre 1991 die Verlegung des Regierungssitzes von Bonn nach Berlin; damit wurde diese Stadt wieder Sitz eines vereinten, demokratischen Deutschlands.
Dreißig Jahre später, im Jahre 2021, ringen die Politiker in der prosperierenden, föderalen Bundesrepublik Deutschland um den rechten Weg aus der inzwischen weltweiten Corona-Pandemie. Die Viruserkrankungen beeinträchtigen das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Leben erheblich; viele Tote sind zu beklagen. Die sozialen und mentalen Folgen sind zur Zeit noch nicht abschätzbar. Was aber immer noch – nach über dreißig Jahren (formaler) Wiedervereinigung – erkennbar geblieben ist und zu denken gibt, das sind die zahlreichen Unterschiede zwischen den ost- und den westdeutschen Bundesländern und den Befindlichkeiten ihrer Einwohner. In dem Werk „ÜbergangsGesellschaft. Fotografien von Bernd Cramer 1985-2019“ (Halle 2019) meint Bernd Lindner in seiner Einleitung: „Das Gefühl „Deutscher zweiter Klasse“ zu sein, will unter den Ostdeutschen nicht weichen.“ Die große Chance im Übergang zu einer Gesellschaft nach der Pandemie liegt für die Deutschen darin, neben der wirtschaftlichen auch zu einer solidarischen, gemeinsamen mentalen Erholung aller in diesem Land Lebenden zu gelangen.
Die Pandemie, die Diplomatie und geweckte Erwartungen
Der Streit um Impfstoffe, der sich Ende Januar 2021 kurzfristig zwischen Großbritannien und der Europäischen Union entwickelte, zeigte, wie die Nerven aller Beteiligten bloßlagen. Von den Regierungen und vor allem von den Medien waren (zu) große Erwartungen geweckt worden, die angesichts von Lieferproblemen der Firmen zumindest in Deutschland enttäuscht wurden. Zum Glück für alle Beteiligten ruderte die EU-Kommissionspitze schnell mit der Drohung zurück, einen Exportstopp für Impfstoffe zu verhängen. Der diplomatische Schaden war jedoch schon geschehen, weil die Abstimmung innerhalb der EU mangelhaft und die Drohung mit dem Austrittsparagraphen im jüngst abgeschlossenen Brexit-Abkommen sich als ein Eigentor herausstellte. Der europafreundliche GUARDIAN wies am 29.01.2021 zu Recht u.a. darauf hin, dass Großbritannien bereits drei Monate vor der Europäischen Union Lieferverträge abgeschlossen, relativ mehr als diese Geld für entsprechende Forschungsprojekte vorgestreckt und schneller als die EMA (Europäische Agentur) die Impfstoffe zugelassen hatte: https://www.theguardian.com/society/2021/jan/29/we-had-to-go-it-alone-how-the-uk-got-ahead-in-the-covid-vaccine-race?CMP=Share_iOSApp_Other
Wo bleibt der Impfstoff? So fragte die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG am 05.02.2021: https://projekte.sueddeutsche.de/artikel/politik/wo-bleibt-der-impfstoff-e942998/?reduced=true
Das Dossier, an dem 17 Journalisten mitgearbeitet hatten, bot eine detaillierte Schilderung des globalen Wettkampfs um Impfstoffe gegen den Coronavirus. Demnach hatte die EU bis dahin mit sechs Firmen vertraglich gesicherte Impfdosen vereinbart. Von den sechs waren nur drei Firmen in der EU zugelassen: Biontech/Pfizer, AstraZeneca und Moderna. Diese drei Firmen sollten rund 170 Millionen Dosen an Deutschland (80 Millionen Einwohner) für die jeweils erste und zweite Impfung liefern. Allerdings klaffte eine Lücke zwischen deren Lieferungsgeschwindigkeit und der Erwartungshaltung in der Öffentlichkeit.
Der Zank war so unnötig wie ein Kropf. Er hatte aber auch sein Gutes: Neben der offenkundigen diplomatischen Blamage der EU-Kommission wurden die Kontinentaleuropäer auf mehrere Strukturmängel bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie aufmerksam:
- Die buchstäblich (für die Infizierten) fatale Langsamkeit bei drängenden Entscheidungen, die die EU-Kommission bei der Abstimmung innerhalb eines Staatenbundes von 27 Ländern zu treffen hatte und noch immer zu treffen hat. Dass dieses Problem bisher nicht gelöst wurde, ist nicht nur einigen osteuropäischen, konservativen Regierungen sondern auch der deutschen Bundesregierung anzukreiden. Letztere hat sich bis heute nicht mit den Reformvorschlägen des französischen Staatspräsidenten befassen wollen, der eine stärkere Integration der Europäischen Union gefordert hat.
- Die Planung, Entscheidungsfindung und Umsetzung praktischer Katastrophenpolitik innerhalb der Bundesrepublik Deutschlands geriet streckenweit zum Desaster. Das Gezerre zwischen der Bundesregierung und den Länderchefs und in den Ebenen darunter stieß wohl bei keinem Bundesbürger auf Verständnis. Die fortgesetzte Diskussion um den Schulbesuch ist nur ein (wichtiges) Beispiel. Dabei lieferten Wissenschaftler aller Disziplinen wiederholt konkrete Vorschläge. Zuletzt war es der „Aktionsplan für einen europaweit koordinierten Schutz vor neuen SARS-CoV-2-Varianten“: file:///C:/Users/Jakob/Documents/Blog/Aktionsplan-Covid-Europa.2021.pdf
Nur dank des relativ guten medizinischen Versorgungssystems stiegen die Infektions- und Todeszahlen in Deutschland bei weitem nicht so hoch an wie im Vereinigten Königreich. Andererseits zeigten gerade die Briten, die bisher mehr als elf Millionen Menschen erstmals geimpft haben, wie man durch gut organisiertes Impfen das Licht am Ende des Tunnels schneller erreichen kann. Bis Mai 2021 sollen alle über fünfzig Jahre alten Briten erstmals geimpft worden sein; vgl. BBC vom 06.02.2021: https://www.bbc.co.uk/news/amp/uk-55961387 Beide, Deutschland und Großbritannien, haben ihre politischen und strukturellen Defizite in der jetzigen Gesundheitskrise gezeigt, in beiden wurden wissenschaftliche Höchstleistungen bei der Entwicklung von Impfstoffen erzielt und großartige Hilfe von Ärzten und Schwestern geleistet. Es bleibt aber die dringende Aufgabe für die Zukunft, bessere, auch international abgestimmte Strukturen für Katastrophenfälle sowie die entsprechenden personellen und finanziellen Ausstattungen zu schaffen. Man bedenke: Es gibt neben Pandemien auch noch ökologische und außenpolitische Katastrophen, die möglich sind…
18. Januar 1871: Deutsche Reichsgründung in Versailles
18. Januar 1871 und heute
Hundertfünfzig Jahre deutsche Geschichte. Angesichts der heutigen aktuellen Probleme der Welt zeigt sich das europäische Ereignis von 1871 als scheinbar marginales Datum: Genau an jenem 18. Januar 1871 wurde im schicksalhaften Spiegelsaal des Schlosses von Versailles bei Paris König Wilhelm von Preußen von den versammelten deutschen Fürsten zum deutschen Kaiser ausgerufen.